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Special - Tims Buchecke – Teil II - Kolumne : Zugekokst durch Liberty City

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    Auch in einer digitalisierten Welt hat eine analoge Beschäftigung, wie das Lesen, noch ihren Platz. Findet zumindest unser Tim H., der euch fortan regelmäßig mit Lektüretipps zum Thema Videospiele versorgen wird.

    Dass Videospiele noch nicht den gesellschaftlichen Status von Film, Fernsehen und Musik erreicht haben, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass dieser popkulturelle Zweig in der Literatur bislang nur unzureichend bedient wurde - sieht man mal von diversen Kompendien (wie dem in der ersten Buchecke vorgestellten Werk) und Romanen aus Videospieluniversen ab. Nicht dass ich etwas gegen diese hätte, aber ein Buch wie „Extra Lives - Why Video Games matter" von Tom Bissell ist da schon ein anderes Kaliber.

    Bissel, der zuvor bereits einige fiktionale und nonfiktionale Bücher schrieb, liefert hier im Grunde neun Essays ab, die sich jeweils auf ein anderes Spiel konzentrieren, im Verlauf des Textes aber auch allgemeinere Dinge aus dem Reich der Videospiele ansprechen. So erzählt Bissell davon, wie er wegen der Sogwirkung von Fallout 3 Obamas Wahl zum US-Präsidenten verpasst hat, er ergründet die Faszination des ersten Resident Evil und legt ein gutes Wort für das eher ungeliebte Far Cry 2 ein. Allerdings geschieht dies alles in hervorragender Prosa, die - ganz im Stile des New Games Journalism - mehr Erfahrungsbericht denn konventionelle Kritik ist.

    Mit Kritik wird aber nicht gespart. Vor allem Bissells Ärger über die Unfähigkeit von Videospielen, reife und anspruchsvolle Geschichten zu erzählen, taucht an mehreren Stellen auf. Vor allem im passenderweise „LittleBigProblems" genannten Kapitel werden auf nachvollziehbare, aber nie unfaire Weise die bekannten Probleme der Industrie seziert. Man merkt, das Bissell mit Leib und Seele Videospieler ist und regelrecht darunter leidet, dass sich Videospiele in verschiedenen Punkten selbst ein Bein stellen.

    Natürlich werden viele von euch die meisten im Buch vorgestellten Titel kennen und selbst gespielt haben. Dadurch verlieren Bissells Ausführungen aber nicht an Reiz. Jeder, der damals Resident Evil gespielt hat, wird sich erinnern, was für eine neue und bewusstseinserweiternde Erfahrung der Ausflug zum zombieverseuchten Herrenhaus damals war. Apropos bewusstseinserweiternd: Um Bissells lebhaften Schilderungen von ausgedehnten Left-4-Dead- und GTA-IV-Sitzungen folgen zu können, ist es nicht zwingend notwendig, dass man wie der Autor auf Koks durch die virtuelle Ostküstenmetropole düst.

    Außerordentlich interessant sind auch die beiden Kapitel, in denen die Entwickler Jonathan Blow, der den Indie-Hit Braid fast im Alleingang auf die Beine gestellt hat, und Epics Cliff Bleszinski zu Wort kommen. Vor allem der als krawalliger Lautsprecher verschriene Bleszinski kommt hier als gereifte Persönlichkeit und wahrer Spiele-Enthusiast rüber. Schön, dass es Bissell gelingt, auch hier neue Seiten zu offenbaren.

    „Extra Lives" ist klug, witzig, herausfordernd und genau die Art von Buch, von der es gerne mehr geben darf. Wer anspruchsvolle, aber keineswegs hochtrabende Literatur über Videospiele schätzt, wird hier tollen Lesestoff finden. „Extra Lives - Why Video Games matter" ist für etwa 15 Euro erhältlich; ab Mitte Juni auch als günstigeres Taschenbuch. Allerdings ausschließlich auf Englisch.

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