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Test - Ori and the Blind Forest : Rechtmäßiger Erbe

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Ori and the Blind Forest avancierte nach seiner Ankündigung zu einem wichtigen Eckpfeiler in Microsofts kommendem Line-up. Und das nicht ohne Grund, wirkt der Titel in Anbetracht des sonst so oft propagierten Bombasts doch wahrlich unschuldig. Die Gegenthese zum mittlerweile routiniert abgespielten Effektgewitter scheint so zerbrechlich und hilfsbedürftig, dass man sich als Spieler und Publisher nur allzu gern davorstellt, um es vor der sich anbahnende Welle aus AAA-Spielen zu beschützen. Dabei benötigt das Spiel diese Hilfe gar nicht, denn es kann auch wunderbar allein dem Konkurrenzdruck standhalten.

Dabei macht Ori and the Blind Forest wahrlich nichts neu. Das muss es aber auch nicht. Denn schon nach den ersten Minuten wird deutlich, dass all die offensichtlichen Dinge, nach denen man ein Spiel misst, nahezu perfekt ineinandergreifen. Es erschafft dank seiner detaillierten Hintergründe und seiner tadellosen Animationen Zeichentrickatmosphäre, die in solch einer Form und Qualität nur selten erreicht wird. Und das, obwohl der Indie-Markt seit jeher von 2-D-Platformern überschwemmt wird. Hier drängt sich ganz unmittelbar der Vergleich zu „Prinzessin Mononoke“ auf, einem Ghibli-Film, der in seiner Darstellung viele Nachahmer fand. Ori and the Blind Forest ist einer davon. Und zwar einer von den guten.

Dem nichtlinearen Platformer mit Fokus auf Geschicklichkeits- und Sprungpassagen gelingt es, in den ersten paar Minuten eine emotionale Bindung zum Spieler aufzubauen, indem er gleich zu Beginn starke Bilder entfesselt und eine tragische Geschichte erzählt. Es ist ein perfektes Zusammenspiel dieser Elemente, das sich da vor euren Augen auftut. Eigentlich müsst ihr nur wissen, dass Ori alles in seiner Macht Stehende tut, um dem titelgebenden Wald neues Leben einzuhauchen. Wie und warum Ori das tut, solltet ihr lieber selbst in Erfahrung bringen.

Große Fußstapfen

Spielerisch fußt der Titel auf einem mehr als soliden Fundament. Er bedient sich offen an solch Größen und Vorreitern wie Metroid oder Castlevania: Symphony of the Night, die durch ihr nichtlineares Spiel-Design ein eigenes Subgenre hervorbrachten. Das Spiel der Moon Studios wirft euch in eine Welt, die ihr euch selbst erschließen und entdecken müsst. Nahezu überall finden sich Energieerweiterungen oder zusätzliche Erfahrungspunkte, mit denen ihr neue Fähigkeiten für Ori freischaltet. Diese sind jedoch nicht notwendig, um im Spielverlauf voranzuschreiten, sondern sind vielmehr als zusätzliche Hilfestellung und Motivation zu verstehen. Wie seine Vorbilder manövriert euch der Titel teils bewusst in Sackgassen, die ihr erst zu einem späteren Zeitpunkt überwinden könnt.

An Schlüsselstellen erhält Ori weitere Fähigkeiten, die unabhängig von der gesammelten Erfahrung sind und die Sackgassen als künstliche Hindernisse entlarven. Dass man bereits besuchte Abschnitte erneut durchläuft (Backtracking) ist im Kontext des Spiels kein Zeichen für schlechtes Level-Design, sondern eine bewusste Entscheidung der Entwickler. Es gibt euch eher das Gefühl, in einer Welt beheimatet zu sein, die so manches vor euch geheim hält. Dieser Erkundungsaspekt ist jedoch weitaus weniger präsent als in den genannten Inspirationsquellen. Viele der versteckten Objekte sind offensichtlich und ohne große Überlegungen leicht zu erreichen. Zudem gibt euch der Titel anhand der Karte unverhohlen Hinweise. Das daraus resultierende Problem: Ori and the Blind Forest entmystifiziert sich dadurch viel zu oft selbst. Und das ist gerade angesichts des ansonsten eher hoch angesiedelten Schwierigkeitsgrades irgendwie paradox.

Ori and the Blind Forest - Launch Trailer
In der kommenden Woche erscheint Ori and the Blind Forest; wir zeigen euch schon am Wochenende den Launch-Trailer.

Denn im Kern ist Ori and the Blind Forest ein äußerst forderndes Spiel, das es aber vermag, durch die Möglichkeit, jederzeit zu speichern, Frustration nicht zur ständigen Begleiterscheinung werden zu lassen. Dafür ist die Steuerung zu präzise und Ladezeiten gibt es beim Ableben und Wiedereinstieg ohnehin nicht. Es existieren nur wenige Passagen, die sich über wenige Minuten erstrecken und die es nicht erlauben zu speichern. Hier lauert das ansonsten so geschickt versteckte Frustpotenzial, da jeder Fehler den sofortigen Tod zur Folge hat. Es sind aber gleichzeitig die Höhepunkte des Spiels, da sie mit vielen Effekten und dramatischer Musik aufwarten – aber auch mit gelegentlichen Einbrüchen der Bildrate.

Es sind diese Kleinigkeiten, die es Ori and the Blind Forest verwehren, qualitativ mit seinen Vorbildern gleichzuziehen. Immer wieder stoßt ihr auf kleine Ungereimtheiten, die nicht hätten sein müssen. Warum muss sich ein Spiel mit solch optischer Finesse die Blöße geben, stumpfe Energiebalken der Gegner anzuzeigen? Warum hat man nicht mehr optische Vielfalt gewagt? Denn abseits der klassischen Themen wie Wald, Eis und Feuer traut sich Ori and the Blind Forest nicht, ein wenig aus der Formel auszubrechen. Doch diese Makel hält das Spiel nicht davon ab, in den Kreis der besten Xbox-One-Spiele vorzustoßen.

Fazit

David Kepler - Portraitvon David Kepler
Ein Spiel, das seinen Vorbildern alle Ehre macht

Es ist schwer, sich der Faszination von Ori and the Blind Forest zu entziehen. Es verwöhnt das Auge mit wunderschön gezeichneten Hintergründen und Animationen, es umschmeichelt euer Ohr mit einfühlsamen Klängen und steuert sich traumhaft gut. Der Erkundungsdrang mag, gemessen an Metroid oder Castlevania, weniger ausgeprägt sein und fast schon zu sehr ins Hintertreffen geraten, doch das ist angesichts der fordernden Geschicklichkeitspassagen und der verträumten Präsentation zu vernachlässigen. Ori and the Blind Forest zollt dem ganzen Subgenre der nichtlinearen Platformer auf so charmante und liebenswürdige Art und Weise Tribut, dass man spätestens jetzt wieder weiß, warum diese Art von Spiel schon damals zu begeistern wusste.

Überblick

Pro

  • märchenhafte Grafik mit vielen Details
  • wunderbar präzise Steuerung
  • viele fordernde Geschicklichkeitspassagen
  • atmosphärische Musikuntermalung
  • starker, emotionaler Auftakt
  • freischaltbare Fähigkeiten
  • keinerlei Ladezeiten

Contra

  • viele versteckte Extras zu einfach zu finden
  • seltene Einbrüche der Bildrate bei Effektgewitter
  • hätte optisch abwechslungsreicher sein können
  • Spielstand nach dem Durchspielen nicht mehr anwählbar
  • gelegentliche Trial-&-Error-Passagen mit hohem Frustpotenzial

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