Test - Borderlands (Film) : Filmkritik: Mit den Spielen hat das nicht viel zu tun
Überzeichnete Charaktere, derber Humor, absurde Gewaltdarstellungen, die Auswahl aus einer Fantastilliarde an Waffen und jede Menge Wup-Wup - dafür sind die Borderlands-Spiele bekannt und beliebt. Ein einzigartiges Universum, das sich irgendwo zwischen einer ranzigen Wildwest-Fantasie und Mad Max in Space einordnet. Das sollte doch eine äußerst dankbare Vorlage für einen Hollywood-Blockbuster sein.
Aber warum liegt die aktuelle Verfilmung dann auf Metacritic bei gerade mal 27 Punkten (von 100) bei Kritikern, mit einer User-Wertung von nur 1,6 (von 10)? Kann es sein, dass man als Nicht-Fan einfach nichts mit dem Streifen anfangen kann, oder ist der Film - um es mit den Worten von Protagonistin Lilith zu sagen - wirklich nur “ziemlich hirnpürierter Dünnpfiff”?
Zunächst einmal ist es gar keine “Verfilmung” im eigentlichen Sinne. Die Geschichte, die der Film erzählt, passt weder zeitlich noch logisch in die Spiele. Vielmehr soll er ein eigenes Borderlands Cinematic Universe aufmachen, eine parallele, aber abgewandelte Version der Geschichte von und auf Pandora.
Warum das so sein muss, erschließt sich mir nicht. Die vier Spiele der Hauptreihe bieten eigentlich mehr als genug Stoff, der sich wunderbar auf die Leinwand bannen lassen würde, aber stattdessen hat man sich für einen komplett eigenen Plot entschieden.
Wollt ihr noch eine Geschichte hören? Nicht? Ich erzähl’ sie trotzdem!
Kopfgeldjägerin Lilith (Cate Blanchett) wird von Deukalian Atlas (Edgar Ramirez), dem stinkreichen und äußerst dubiosen Besitzer der Waffen- und Technologie-Firma Atlas, angeheuert, um seine Tochter Tina (Ariana Greenblatt) zu finden. Dazu muss sie allerdings nach Pandora zurückkehren, ihrem Heimatplaneten, dem sie vor Jahren schon den Rücken gekehrt hat.
Dummerweise wimmelt es auf Pandora nur so von mutierten Kreaturen und Monstern. Allerdings soll es dort eine Kammer geben, die extrem fortschrittliche Alien-Technologie enthält. Daher ist der Planet überrannt von sogenannten Kammerjägern, die aus Machtgründen oder Geldgier versuchen, Zugang zu dem Schatz zu erlangen, und denen, die aus den Kammerjägern Kapital schlagen wollen.
Unterwegs bekommt Lilith nicht nur Unterstützung vom plappernden Roboter Claptrap (Stimme im Original von Jack Black), sondern trifft auch bald auf den Soldaten Roland (Kevin Hart) und Tinas allerbesten Freund, den Psycho-Banditen Krieg (Florian Munteanu).
Der Rest der Geschichte ließe sich ebenfalls noch in zwei Sätzen zusammenfassen, aber ich will euch den einen Twist, den der Film bietet, ja nicht auch noch kaputt machen. Ansonsten ist die Story nämlich absolut vorhersehbar (auch ohne Kenntnis der Spiele). Man könnte dem Film jetzt wohlwollend bescheinigen, dass aus einem Ego-Shooter wie Borderlands halt nicht mehr herauszuholen ist.
Denn schon in den Spielen sind wir schließlich immer nur auf der Suche nach irgendeiner Kammer (oder Kammern), die als MacGuffin und sprichwörtliche Karotte vor der Nase dient, mit dem die turbulenten Schießereien und Begegnungen mit schillernd schrägen Charakteren gerechtfertigt werden. Hin und wieder mal eine beeindruckende Zwischensequenz mit geiler Musik, eine verrückte Situationskomik oder ein Bosskampf - fertig ist die Laube auf Pandora.
Nur haben wir bereits einen Beweis dafür, dass Storytelling in dieser fiktiven Welt auch wunderbar und ganz anders funktionieren kann. Bereits 2014 erschien nämlich Tales from the Borderlands, ein Ableger der Reihe von Entwickler Telltale Games, die ja für Spiele bekannt sind, die eher als spielbare Filme klassifiziert werden.
Tales from the Borderlands kommt ganz ohne die Schießereien aus, die im Mittelpunkt der Shooter stehen, und zeigt dadurch auf beeindruckende Weise, dass das eigentliche Herz der Spiele ganz woanders schlägt: beim Zusammenspiel der illustren und liebenswerten Charaktere, der haarsträubend und dadurch irrwitzig irre witzigen Action und dem skurril überdrehten Humor. Und genau an diesen Punkten lässt sich auf einen Blick erkennen, woran der Film letztendlich scheitert.
Nicht ohne meine Badonkadonks!
Überhaupt gäbe es noch so einiges, was die Leinwand-Umsetzung von den Spielen lernen könnte. Eine Freigabe der FSK ab 12 Jahren verrät ja schon, dass der Film nicht mit dem Gewaltgrad der Spiele mithalten kann oder will. Und was den berühmten Humor der Borderlands-Serie anbelangt, ist der zwar derbe und roh, aber nur selten wirklich so flach wie im Film dargestellt.
Ganz im Gegenteil geht es in den Spielen wesentlich tiefgründiger zu, als man es auf den ersten Blick meinen mag. Vergleicht man die Film-Tina mit ihrem Videospiel-Gegenstück, dann werfen beide mit Sprengstoff-gefüllten Plüschhasen und Beleidigungen um sich. Bei Spiel-Tina ist ihre Fantasy-Welt aber ausgelöst durch ein Trauma und grausame Experimente, in denen sie ihre Eltern verloren hat. Nur durch eine Granate konnte sie selbst aus dem Labor entkommen und nun will sich an dem Banditen rächen, der sie und ihre Eltern als Versuchskaninchen verkauft hat.
Film-Tina hat zwar eine ähnliche Hintergrundgeschichte, allerdings ohne Eltern, Granaten oder Banditen. Dadurch wirkt sie lediglich wie eine launische, pubertierende Teenagerin mit einem fragwürdigen Fetisch für Explosionen.
Sagt Claptrap im Spiel “Schankedön”, dann macht er das gerade, weil es Fremdscham auslöst. Der gelbe Roboter hat nun mal keinen Sinn für soziale Kontakte oder angemessenen Umgang und genau das unterstreicht der Spruch nochmal. Wenn Roland im Film dasselbe Wort benutzt, dann einfach nur, weil seit drei Sekunden niemand etwas Witziges gesagt hat. Auf die Art kommt der Film eben nicht über billigen Pipi-Kacka-Humor hinaus.
Dazu kommen dann noch die Casting-Entscheidungen des 1,63 m großen Komikers Kevin Hart als Kommando-Soldat Roland und Cate Blanchett, die zwar großartig spielt, aber wesentlich älter ist, als es Lilith in den Spielen jemals war. Zusammen betrachtet hat man nicht das Gefühl, einen richtigen Borderlands-Film zu sehen, sondern eher einen billigen Abklatsch.
Na, sie mal einer guck!
Im Rahmen der Pressevorführung hatte ich leider nicht die Option, den Film im englischen Original zu sehen, sondern war auf die deutsche Übersetzung beschränkt, bei der ich im Vorfeld bereits Bauchschmerzen hatte. Im Original leiht Jack Black Claptrap seine Stimme, der nicht nur musikalisch als lebende Legende gilt, sondern sich auch als Schauspieler und Synchronsprecher einen Namen gemacht hat.
Für die deutsche Synchro hat man sich hingegen für den Comedian Chris Tall entschieden, der seine Berühmtheit hauptsächlich diskriminierenden Sprüchen und Skandalen zu verdanken hat. Auch Tall hat bereits Erfahrungen als Synchronsprecher gesammelt, allerdings in eher mäßigen Umfang. Bei der Wahl handelt es sich also wohl eher um ein Stunt-Casting aus öffentlichkeitswirksamen Gründen, um vielleicht noch ein paar Chris-Tall-Fans extra ins Kino zu locken.
Umso überraschter war ich dann, dass Chris Tall mich wesentlich weniger gestört hat als angenommen. Das liegt zum einen daran, dass er unter dem verzerrten Ton von Claptraps Roboter-Stimme kaum mehr zu erkennen ist, aber vor allem auch, weil das, was gesagt wird, noch viel schlimmer ist. Im Originalton soll der Text ja von schlechten Witzen und holprigen Dialogen gekennzeichnet sein, aber in der Übersetzung hat man sich dazu noch für eine Mischung aus den schlechtesten Sprüchen des vergangenen Jahrhunderts und dem letzten viralen Hit der Tagesschau entschieden.
Das sorgt für so peinliche Ausdrücke wie “Schankedön” oder “Tschö mit ö” vollkommen unironisch von Elite-Soldat Roland, aber auch “Der Typ ist mega lost!” aus dem Mund von
Tina, weil die ja noch jung ist und deswegen solche Dinge sagen muss. Boomer-Humor der übelsten Sorte oder um nochmal auf die Tagesschau zurückzukommen: Cringe!
Um das auszuhalten, hilft es nur noch, der Empfehlung von (ich wiederhole es gern noch einmal) Elite-Soldat, Kampfmaschine und Rebellen-Anführer Roland zu folgen, die da lautet: “Zeit für ein Hopfenkaltschälchen!”
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