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Test - My Friend Pedro : So bescheuert wie genial

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In kaum einer Disziplin sind Entwickler kreativer als bei Ballerspielen. Im ältesten Videospielgenre der Welt existieren unzählige Formen des „Schieß-dem-Gegner-das-Lichtlein-aus“-Spielprinzips, und so meint man nach einigen Jahren, alles gesehen zu haben. Aber Pustekuchen! My Friend Pedro ist anders. In jeder Hinsicht. Inwiefern ist in wenigen Zeilen schwer zu erklären, denn das seitwärts scrollende Geballer ist genauso bescheuert wie genial.

Von links nach rechts laufen und Blei verspritzen ist ein ziemlich ausgelutschtes Spielprinzip. Das muss nichts heißen, schließlich ist selbst Konamis Uralt-Klassiker Contra heute noch nervenaufreibend spannend. Trotzdem gibt es kaum noch neuartige Möglichkeiten, so etwas interessanter zu gestalten. Geschickte Platzierung der Gegner? Hindernisse und Mini-Puzzles, die man akrobatisch umschifft muss? Kniffelige Endgegner? Alles schon einmal dagewesen.

Und doch gibt es Ausnahmen, die sich mit dem richtigen Kniff vom Rest absetzen. My Friend Pedro nutzt zum Beispiel alle oben genannten Stilmittel, aber das Gefühl, das der Spielablauf dabei vermittelt, ist nur schwer in Worte zu fassen. Kennt ihr das ulkige Strichmännchen-Karate, das uns vor vielen Jahren auf YouTube in kleinen Videos belustigte? Wenn nicht, dann schaut einfach mal in obiges Video, denn das erspart mir viele halbgare Erklärungsversuche. My Friend Pedro teilt zwar weder Angriffsvarianten noch grafische Elemente mit der Hauptfigur von Stick Figure Fighting, aber das Gefühl des kontrollierten Chaos inmitten einer feindlichen Umgebung kommt exakt hin.

Contra trifft auf Trials

Immer noch nicht sicher, was damit gemeint ist? Na gut, fangen wir von vorne an. Unser Held ist ein namenloser Kämpfer, der von einer Banane namens Pedro angeleitet wird, ganze Horden von Gangstern zu töten. Ja, ihr habt richtig gelesen, der neunmalkluge Sidekick Pedro ist eine Banane. Wenn das nicht schon alles über das Mindset dieses Spiels sagt, was dann? Aber gut, eine Banane, was soll's? Ist ja nicht so, als ob der Rest des Spiels die Ausgeburt der Rationalität wäre.

Siehe etwa die angewendete Physik. Jeder Sprung, den unser Held vollzieht, wirkt langsam ausgeführt so, als ob das Geschehen auf der Mondoberfläche stattfinden würde, was nicht nur wunderbar butterweich aussieht, die leicht verlangsamte Aktion lässt dem Spieler auch genug Zeit für Korrekturen am Controller. Reicht das nicht zur endgültigen Überlegenheit, so genügt ein Knopfdruck, um in eine echte Zeitlupenfunktion zu schalten. Und wozu das Ganze?

Nun, der namenlose Held ist ein Protagonist akrobatischer Natur. Keine Wand hält ihn auf, so lange er Platz für Flick-Flacks, Pirouetten und andere Kunststückchen hat, die ihn auf höhere Ebenen katapultieren. Zur rechten Zeit angewendet, bewahrt ihn so ein Dreher sogar vor dem Einschlag einer gegnerischen Kugel. The Matrix lässt grüßen.

Da der Held keineswegs pazifistisch veranlagt ist, kommen ihm solche Tricks beim Angriff noch besser entgegen. Er ballert im Sprung in jede Richtung, die man ihm mit dem rechten Analogstick vorgibt. Zu jeder Zeit, in jedweder Situation. Hat er gar zwei Exemplare derselben Wumme, so schießt er auch gerne mal in zwei entgegengesetzte Richtungen. Für das Aufteilen der Feuerkraft genügt ein Knopfdruck.

Soweit verstanden? Prima, ist in der Theorie auch nicht schwer zu verstehen. Abstrakt wird das Ganze nämlich erst durch den Aufbau der Spielabschnitte, die weniger mit einem typischen Shooter gemein haben als mit einem Puzzler oder einem Geschicklichkeitsspiel in der Tradition der Motorrad-Fummelei Trials. Jeder noch so linear wirkende Flur ist in Wirklichkeit ein Parcours, der einlädt, etliche Tricks anzuwenden. Widersacher stehen derweil nicht einfach in der Gegend herum. Sie lauern oft an Stellen, die nur schwer erreichbar sind, etwa hinter Zäunen, in abgetrennten Zimmern oder hinter einer deckenden Mauer, was einen gehörigen Schuss Strategie voraussetzt. Wo und zu welcher Zeit in welche Richtung schießen? Wo stehen, wo gehen, wann springen, wann decken? Jeder Spielzug will bedacht sein.

My Friend Pedro - E3 2018 Announcement Trailer
Devolver Digital hat mit My Friend Pedro ein neues Actionspiel für PC und Switch angekündigt.

Mein Gott, klingt das alles trocken, wenn man das Spielprinzip in seine Einzelteile zerlegt. Vergesst am besten alles ganz schnell wieder, was ich bis hierhin gesagt habe, und schaut euch einfach den Trailer an. Dann versteht ihr es sofort. My Friend Pedro benötigt strategisches Vorgehen, aber es geht nicht um ein Spiel, bei dem man sich ewig den Kopf zerbricht. Man spielt einfach, geht intuitiv vor, adaptiert in Echtzeit und lacht sich zwischenzeitlich scheckig, weil die dämlichste Lösung manchmal die beste ist.

Öfter mal was Neues

Die betont einfach gehaltene und stets eindeutige grafische Darstellung ermöglicht auf den ersten Blick eine Analyse aller Gegebenheiten. Auch dann, wenn neue Spielelemente dazukommen. Hier und da steht mal ein Skateboard herum, das die Fortbewegung beschleunigt. Überdies kommt es schon recht früh zu einer Verfolgungsjagd auf einem Motorrad. Das sind aber nur grobe Maßnahmen zur Steigerung der Abwechslung. Interessantere Feinheiten bereichern in regelmäßigen Abständen den normalen Spielablauf. Darunter Kräne, die durch das Gewicht der Spielfigur bewegt werden müssen, oder herumhängende Metallplatten, die Kugeln reflektieren.

Gerade Letztere nehmen in den späteren Abschnitten des Spiels eine wichtige Rolle ein, halten sich aber nicht an die altbekannte „Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel“-Regel. Vielmehr drücken sie bei der Physik ein Auge zu. Zugunsten eines schnellen und flüssigen Spielablaufs lenken sie eure Kugeln von selbst in die Richtung, die dem nächstbesten Gegner eine tödliche Bleivergiftung beschert. Das kommt dem intuitiven Geballer entgegen und vereinfacht die Hatz nach einer Top-Bewertung. Schafft man es, viele Kombo-Aktionen zu landen und dabei schnell sowie möglichst schadlos durch einen Abschnitt zu hetzen, winkt eine besonders gute Note am Levelende. Das Spektrum reicht von C wie „Chefs können’s besser“ (Zitat!) bis S wie Spitzenklasse.

Das lädt zum erneuten Spielen und Perfektionieren ein. Gut so, denn wirklich schwer fällt My Friend Pedro nur selten aus. Ganze drei Lebensbalken räumen mehrere Fehltritte pro Level ein, zumal sich jeder der Lebensbalken nach einer kleinen Ruhephase wieder füllt, sofern er nicht komplett geleert wurde.

Das erste Durchspielen fällt extrem amüsant aus. Obwohl das Spielprinzip bei aller Originalität eingangs simpel wirkt, verfällt My Friend Pedro nicht eine Sekunde lang in Routine. Hier balanciert man auf einem Fass und rollt Bösewichte über den Haufen, da nimmt man es mit gigantischen Selbstschussanlagen auf und an anderer Stelle kickt man Benzinkanister durch die Gegend, um sie für eine mordsmäßige Explosion an die richtige Stelle zu bugsieren. Und es kommt noch besser. Gerade wenn man denkt, man hätte alles gesehen, ändert sich das Setting vollständig, driftet kurzzeitig in eine abstrakte Fantasiewelt ab, die die Psyche des Hauptdarstellers reflektieren soll, und pflegt dabei einige Jump-and-Run-Traditionen. Durchgeknallte Hintergrundgrafiken inklusive.

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