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Special - Legenden der Leidenschaft : Wie ich meine Liebe zu Nintendo wiederfand

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    Manche Dinge begleiten uns fast das ganze Leben, inklusive aller Höhen und Tiefen. Und manchmal brauchen wir ein wenig länger, um diese Dinge richtig schätzen zu lernen. Ein Beziehungsdrama in drei Akten.

    Liebe

    Es muss 1990 gewesen sein, als mich meine Eltern mit einem Gameboy überraschten. Plötzlich lag er da in meinem Kinderzimmer: klein, unscheinbar, mit piepsigem Sound und vier Graustufen. Zwar hatte ich zuvor bereits erste Erfahrungen mit Geräten wie dem Atari VCS 2600 gesammelt, aber erst Nintendos Handheld infizierte mich mit dem Videospiel-Virus. Wenn ich meinem Gameboy mal keine AA-Batterien zum Fraß vorwarf, zeichnete ich krakelige Konzepte in mein Ringheft oder fachsimpelte mit Gleichaltrigen auf dem Schulhof. Später folgten NES und Super Nintendo. Die Spiele wurden bunter, besser, beeindruckender.

    Nintendo war mehr als nur eine Firma irgendwo im fernen Japan. Ihre Spiele gaben ein Gefühl von Geborgenheit, von Vertrauen. Schlug man ein Club-Nintendo-Magazin auf, lächelten einem dort großformatige Screenshots voller Details und nette Mitarbeiter entgegen; jedes Spiel schien auf seine Art verheißungsvoll. Ein paar Kids in der Nachbarschaft und in meiner Schulklasse waren zwar der Meinung, dass SEGA die viel cooleren Spiele machen würde. Aber was wussten diese armen Tölpel schon? Ein Held wie Sonic konnte vielleicht schnell rennen und trug schicke Schuhe, aber rein qualitativ waren ihm Mario, Link und Samus um Lichtjahre voraus. Ich verteidigte Nintendo bis aufs Blut, mein Mekka hieß Großostheim.

    Streit

    Aber in vielen stürmischen Beziehungen kommt irgendwann der Punkt, an dem man sich nicht mehr so viel zu sagen hat. Es beginnt mit ein paar Missverständnissen, geht weiter mit Misstrauen und endet mit Gleichgültigkeit. Bei mir begann die Krise ab der GameCube-Ära. Zuvor hatte ich Nintendo noch die Treue gehalten, auch wenn seit der PlayStation Pluralität herrschte und auch andere Plattformen bei mir zum Einsatz kamen, und der Konzern so manch seltsame Entscheidung traf.

    Warum setzte man weiterhin auf die teure und unpraktische Modul-Technologie? Warum gab es immer weniger Spiele? Warum behandelte man auch mündige Spieler wie Kinder? Damals war bereits abzusehen, dass Nintendo und ich uns auseinanderleben würden. Auf dem GameCube fand ich dann nur noch wenige Titel, mit denen ich Zeit verbringen wollte. Klar, an Zelda kam man nach wie vor nicht vorbei, aber selbst Mario – mein Mario - schwächelte auf dem Spielewürfel. An was konnte man noch glauben, wenn selbst der verlässlichste aller Klempner nicht mehr seine Leistung brachte?

    Nintendo wollte mich nicht mehr als Fan, so kam es mir vor. Der Pokémon-Hype, der mit seinen knuddeligen Monstern vor allem Jüngere ansprach, tat da sein Übriges. Längst verbrachte ich den Großteil meiner Videospielzeit mit Konsolen von Sony und Microsoft. Der Cube staubte vor sich hin und wurde irgendwann ganz abgestöpselt. Zu Beginn der Wii-Ära erwachte ich kurzzeitig aus meiner Nintendo-Lethargie. Die neue Bewegungssteuerung klang zumindest interessant, Super Mario Galaxy war wieder so fantastisch, wie einst Mario 64 oder Super Mario World. Aber der immer größer werdende Fokus auf Gelegenheitsspieler und Familienfreundlichkeit, gepaart mit einer erschreckend schwachen Grafikleistung, ließ mich auch die Wii schnell wieder einmotten. Es schien das endgültige Aus für eine einst leidenschaftliche Liebe.

    Versöhnung

    Und doch hat diese Geschichte ein Happy End. Möglich gemacht hat das vor allem ein Spiel: Mario Kart 8. Zum ersten Mal konnte ich dieses auf der letztjährigen E3 anspielen und war dort vor allem von der Optik angetan. Vorbei war die Zeit der verwaschenen Wii-Grafik. Was ich im Messetrubel aber nicht feststellen konnte, war die unglaublich Liebe zum Detail, die Nintendo in dieses Spiel steckte. Die Nintendo schon immer in die Spiele steckte – auch wenn ich das eine ganze Weile lang vergessen hatte. Man muss dazu nicht das mittlerweile berühmte Luigi-Death-Stare-Meme bemühen. Es reicht, sich einfach die Wiederholung eines x-beliebigen Mario-Kart-Rennens anzugucken, um zu sehen, wie viel Leidenschaft und Qualität in diesem Spiel steckt. Es mag nur simples Kartrennen sein, aber es hat mehr Seele als nahezu jedes andere AAA-Spiel.

    Hinzu kommt eine wunderbare Spielbarkeit – offline wie online. Mario Kart 8 konzentriert sich auf das, was Videospiele einst groß machte und was leider immer öfters außer Acht gelassen wird: die reine, pure Freude am Spielen. Und sich bei Online-Partien nicht dauernd anpöbeln lassen zu müssen, ist ebenfalls sehr angenehm. So kam es, dass ich mir vor kurzem anstatt einer PS4 lieber die Wii U ins Haus holte und das noch keine Sekunde bereut habe. Denn auch andere Wii-U-Titel wie Super Mario 3D World, The Wonderful 101 oder das kommende, fantastisch aussehende Yoshi's Woolly World sind ein toller Gegenpol zu der aktuellen Entwicklung in einer Branche, die Gefahr läuft, sich selber zu übersättigen und den Spieler immer mehr zu einer Melkkuh zu machen.

    Nintendos Modell mag riskant sein und die Firma an den Rand gedrückt haben, aber in mir ist wieder die Zuversicht und Hoffnung aufgekommen, dass sich die Firma noch einmal berappeln wird und zum guten Gewissen einer Industrie mausert, die gerade eine schmerzhafte Pubertät durchmacht. Letztens las ich irgendwo, dass wir, die Spieler im "fortgeschrittenen" Alter, uns insgeheim ein Scheitern von Nintendo wünschen, um endlich mit unserer Jugend abschließen zu können. Wenn das der Fall sein sollte, will ich niemals richtig erwachsen werden.

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