Preview - PES 2012 : Aufholjagd
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Es ist fast wie in einem der typischen Sportfilme aus der amerikanischen Traumfabrik: Ein Champion gerät teils durch eigene Schuld, teils durch andere Einflüsse in Schwierigkeiten und arbeitet sich später viel umjubelt wieder an die Spitze. Was für Rocky und die Indianer von Cleveland gilt, trifft gewissermaßen auch auf PES zu. Einst die erste Wahl für alle Fans von anspruchsvollem Wohnzimmerfußball, liefen in den letzten Jahren immer mehr Anhänger ins FIFA-Lager über.
Der Tiefpunkt schien letztes Jahr erreicht, als selbst viele hartgesottene Pro-Evo-Jünger mit dem 2011er-Update haderten. In unserem Video-Interview gab Jon Murphy mehr oder weniger zu, dass man auch bei Konami mit dem Spiel nicht sonderlich glücklich war. Um bei der obigen Analogie zu bleiben, hätte PES damit den Punkt erreicht, an dem es nun wieder aufwärtsgehen muss. Nach ausgedehnten Sitzungen mit der neuen Auflage scheint dies eine durchaus realistische Hoffnung zu sein.
Vier Beine für ein Ballelujah
Größte und wichtigste Neuerung von PES 2012 ist zweifelsohne das Off-the-Ball-System. Wer schon immer mal die Zuverlässigkeit seiner Hand-Augen-Koordination prüfen wollte, hat jetzt die Gelegenheit dazu. Während ihr mit dem linken Analog-Stick wie gehabt den ballführenden Spieler steuert, könnt ihr mit dem rechten Pendant einen zweiten Spieler kontrollieren. Hierzu bewegt ihr den rechten Stick in die Richtung des gewünschten Mitspielers und drückt R3. Klingt kompliziert, klappt nach kurzer Zeit aber bereits erstaunlich gut. Am Anfang neigten wir oft noch dazu, den ballführenden Spieler zu vernachlässigen, während wir uns mit einem weiteren Kicker freiliefen. Doch mit mehr Praxis lernt man das Feature sehr zu schätzen. Auf lange Sicht muss es sich allerdings noch bewähren.
Neben dem bewussten Suchen von Lücken und gezielten Vorstößen in die Spitze lassen sich auch geschickt Lücken in die gegnerische Verteidigung reißen. Lauft einfach mit dem zweiten Spieler los und täuscht ein Abspiel an, während ihr mit dem ballführenden Akteur den so entstehenden Raum nutzt. Das neue System kommt auch bei Standardsituationen zum Einsatz. Bei Ecke, Einwurf, Abstoß und Freistoß habt ihr nun mehr Kontrolle über die Mitspieler. Gerade bei Ecken ein sehr logischer Schritt, schließlich spielen die im Strafraum lauernden Kopfballspezialisten hier eine größere Rolle als der eigentliche Eckballschütze. Jon Murphy vergleicht diese Situationen mit einem Katz-und-Maus-Spiel und liegt damit sehr richtig. Das neue System bringt deutlich mehr Dynamik und Finesse in festgefahrene Standardmechaniken.
Team-Geist
Als ebenso revolutionär preist Konami das Active-AI-System an. Demzufolge agieren die von der KI gesteuerten Team-Kollegen cleverer als je zuvor und passen sich flexibler an die Spielverhältnisse an. Sie laufen sich besser frei, kreuzen und fordern aktiv Zuspiele an. Auch die Defensive soll dank zusätzlichen Hirnschmalzes glänzen. Mittelfeld und Abwehr sollen sich besser abstimmen und die Räume eng machen. Entscheidend ist freilich, wie viel man davon auf dem Platz merkt. Zunächst nicht so viel, was aber auch damit zu tun hat, dass man mit der Kontrolle seines eigenen Spielers - beziehungsweise seiner zwei Spieler - genug zu tun hat. Aber als passiver Betrachter lassen sich die feinen Veränderungen sehr gut beobachten und leisten ihren Teil, um PES noch näher an den echten Fußball heranzubringen.
Was beim Vorgänger selbst routinierte PES-Spieler abschreckte, war das schwer zu beherrschende und kaum verzeihende Passsystem. Wer die Zuspiele nicht haargenau dosierte, musste damit rechnen, dass der Ball den Mitspieler teils meilenweit verfehlte. Spielfluss kam so kaum auf. PES 2012 erlaubt es, die Passgenauigkeit in sechs Stufen einzustellen. Kommen die Bälle mit der größten Unterstützung fast wie an der Schnur gezogen, ist es auf der höchsten Stufe wieder genauso wie beim Vorgänger. So ist für jeden Spielertyp und jede Erfahrungsstufe etwas dabei.
Neues aus der Coaching-Zone
Die Zeiten, in denen die Präsentation von PES nicht an die von FIFA heranreichte, sind schon länger vorbei. Mittlerweile ist es nur noch eine Frage des persönlichen Geschmacks, welche Aufmachung man bevorzugt. Auf dem Platz überzeugt PES 2012 mit einem Rasen, der so gut aussieht, dass man das Gras förmlich riechen kann, und den erneut hervorragend gestalteten Spielergesichtern. Hinzugekommen sind kleine Details, wie Trainer, die in ihren Coaching-Zonen gestikulierend Anweisungen erteilen. Noch nicht ganz glücklich sind wir mit den ebenfalls überarbeiteten Animationen. Wirklich schicke Bewegungsabläufe wechseln sich mit ungelenk aussehenden Aktionen ab. Vor allem die Laufanimationen wirken oft so, als würden die Spieler über einen zugefrorenen See schlittern.
Konami besitzt weiterhin die UEFA-Lizenz, das heißt, ihr könnt wieder Champions und Europa League mit den Original-Teams nachspielen. Viele Clubmannschaften müssen aber weiterhin ohne authentischen Kader und Vereinsnamen auskommen. Viele europäische Spieler hätten sicher liebend gerne auf die abermals integrierte Copa Libertadores verzichtet, wenn sie im Gegenzug eine komplett lizenzierte englische oder gar deutsche Liga bekommen hätten. Diese Problematik ist beinahe so alt wie PES selbst und wird von Fans seit vielen Jahren brav toleriert. Ideal ist es aber nicht.
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