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Special - Sozial schwache Kinder und Spiele : Ein Kinderspiel

  • Multi
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Wer glaubt, dass Videospiele einzig und allein Zeitvertreib sind, tut dem Medium unrecht. Vielen Menschen bieten sie die Möglichkeit, etwas zu sein oder etwas zu schaffen, was im realen Leben unerreichbar scheint.

Anmerkung: Die Namen realer Personen wurden geändert

Ich arbeite in einer öffentlichen Einrichtung in Norddeutschland, die dank kostenloser Internet-PCs für Schüler über eine Art Jugendtreff verfügt. Jeden Tag verbringen dort zahlreiche Jungen und Mädchen ihre Nachmittage und Abende. Da ich einen guten Draht zu ihnen habe und es sich herumgesprochen hat, dass ich mich mit Videospielen überraschend gut auskenne, kommen viele Schüler auch einfach nur zum Plaudern vorbei. So erfahre ich nicht selten einiges über die Probleme, die Familienverhältnisse und das soziale Umfeld der Kinder und Jugendlichen.

Niklas ist nicht besonders gut in der Schule. Aufgrund seiner Schüchternheit ist er auch nicht sehr beliebt. Doch wenn er in Tanki Online die gegnerischen Panzer einen nach dem anderen ausschaltet und dabei überdurchschnittlich viele Rubine einsammelt, dann erntet er den Respekt der anwesenden Mitspieler und Zuschauer, was er sichtlich genießt. Als ich letztens zum Feierabend die PCs herunterfuhr und ihn fragte, ob er denn nicht nach Hause wolle, antwortete er: „Nein, ich hasse es dort.“

Auch Cihan liebt die Erfolgserlebnisse, die er aus Spielen schöpft. Er legt regelmäßig die Fußballsimulation Fifa 14 in die Konsole und erzählt seinen Mitschülern stolz, dass er mit seiner eigens zusammengestellten Mannschaft fast jedes Online-Match gewinnt. Dafür, dass er aufgrund seiner Leseschwäche das letzte Schuljahr wiederholen muss, schämt er sich hingegen sehr. Wenn Alicia und ihre Freundinnen ein Referat vorbereiten, dann helfe ich ihnen hin und wieder beim Recherchieren oder beim Ausdrucken von Bildmaterial. Einmal erwähnte sie, dass sie daheim zwar über einen Internetanschluss verfügt, aber zu Hause würde ihre Mutter sie immer nur anschreien.

Flucht in virtuelle Welten

Sind alle Hausaufgaben erledigt, ist immer noch etwas Zeit übrig. Die Mädchen haben fast alle einen Account bei Movie Star Planet. In dem Browser-Spiel erstellen sie ihren eigenen Filmstar. Ihre verschiedenen Avatare unterscheiden sich in Bezug auf Haarfarbe, Frisur und Kleidungsstil, doch ausnahmslos alle sind hübsch, schlank und berühmt. Es benötigt keiner eine Psychologenausbildung, um zu erkennen, dass während des Spielens mehr unbewusst als absichtlich eine Wunschwirklichkeit erschaffen wird, in die man gerne abtaucht.

Bevor nun ein Sturm der Entrüstung losbricht: Selbstverständlich spielt der natürliche Spieltrieb des Menschen dabei auch eine große Rolle. Außerdem lassen sich Erwachsene ebenfalls gerne in fremde Welten fallen, um dem Alltag zu entfliehen und einfach abzuschalten. Nichtsdestotrotz bin ich aufgrund meiner Beobachtungen zu der Überzeugung gelangt, dass Kinder und Jugendliche, die viele Sorgen und Probleme haben, deutlich schneller, länger und öfter in virtuelle Wunschrollen schlüpfen. Sie sehnen sich mehr als andere nach Triumphen und wollen ihren Kummer vergessen.

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