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Preview - The Cosmic Wheel Sisterhood : Eine Hexe und fünf Minuten Orgasmus

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Falls du nur wegen der Überschrift auf diesen Artikel geklickt hast, dann musst du Schlawiner dich noch ein bisschen gedulden, um zu erfahren, was es mit den fünf Minuten Orgasmus auf sich hat. Vorher möchte ich dir etwas über dieses außergewöhnliche Spiel erzählen, und das fällt gar nicht so leicht, denn The Cosmic Wheel Sisterhood ist so einzigartig, dass es nur schwer in Worte zu fassen ist.

The Cosmic Wheel Sisterhood ist ein Spiel von den Spiele-Punks bei Devolver, und wahrscheinlich erklärt das allein schon Einiges. Bei dem texanischen Publisher geht alles, außer normal. Erst kürzlich haben wir euch seinen neuen Koop-Puzzle-Platformer Karma Zoo (hier zur Vorschau) vorgestellt, nun also The Cosmic Wheel Sisterhood, dem neuen Spiel von Deconstructeam, Machern des hochgelobten The Red Strings Club. Bereits seit unglaublichen sieben Jahren arbeiten sie nun schon an The Cosmic Wheel Sisterhood. Aber ein Blick auf die Unmenge an verzweigter Story erklärt vermutlich diese lange Entwicklungszeit, wie wir später sehen werden.

The Cosmic Wheel Sisterhood ist ein narratives Spiel, irgendwo zwischen Visual Novel und interaktiver Geschichte nach Dontnod-Vorbild (Life is Strange). Und einem Hauch von Deckbuilder-Kartenspiel. Wenn du jetzt etwas skeptisch dreinblickst, dann lass dir sagen: ja, genauso habe ich auch geschaut, als ich zum ersten Mal von dieser kruden Mischung gehört habe. Aber keine Angst, hier gibt es keine lästigen Kämpfe und Zahlenschiebereien. Die Karten dienen viel eher als höchst innovatives Mittel, um die Handlung in unterschiedliche Bahnen zu lenken. Aber auch dazu später mehr. Wie es sich bei einem narrativen Spiel gehört, fangen wir erstmal mit der Geschichte an.

Wer mag der Herr wohl in diesem Häuschen sein?

Ihr übernehmt die Rolle von Fortuna, einer Teenager-Hexe, die in ihrem Haus auf einem Asteroiden durchs Weltall treibt. Nun, so ganz im Teenager-Alter ist sie, bis auf ihr Äußeres und das Gemüt, wohl nicht mehr. Denn aus mysteriösen Umständen wurde sie vom Hexenzirkel schon vor 200 Jahren an diesen Ort zum Hausarrest verbannt. Doch darauf hat sie allmählich keinen Bock mehr. Darum beschwört sie aus einer Laune heraus einen allmächtigen Dämonengott herauf, der ihr aus der misslichen Lage helfen soll.

Doch das ist nicht wie bei Thanos mit einem Fingerschnippen erledigt. Fortuna muss zunächst ihre Hexenkräfte in Form von magischen Tarotkarten zurückerlangen, die sie aufgrund des Exils verloren hat. Darum müsst ihr der hellsehenden Hexe dabei helfen, neue herzustellen. Und hier kommt nun das eigentliche Spiel ins Spiel. Ein Großteil von Cosmic Wheel Sisterhood findet in Dialogen mit hübsch gezeichneten Pixel-Charakteren statt. Entscheidungen trefft ihr wiederum, indem ihr mit euren Tarotkarten Zukunft und Vergangenheit weissagt.

Die schiere Bandbreite möglicher Storyverzweigungen wirkt geradezu astronomisch. Denn jede Karte kann aus Dutzenden Elementen vom Spieler zusammengestellt werden, was zu Hunderten verschiedener Kartenkombinationen und damit theoretisch möglicher Schwankungen im Handlungsverlauf führen kann. Selbstverständlich werden nicht alle davon in eine völlig unterschiedliche Geschichte münden. Ein Großteil der letztlichen Qualität des Spiels wird damit stehen und fallen, wie stark sich die einzelnen Entscheidungen am Ende bemerkbar machen. Doch bereits in den ersten zwei Stunden, die wir auf einer Presseveranstaltung von Devolver spielen durften, ließen sich bereits signifikante Unterschiede in Details ausmachen.

Oft betrifft dies nur Stimmungsschwankungen im Gesprächsverlauf oder kleine Facetten, die den Charakter definieren und womöglich später irgendwann eine Bewandnis haben werden. Spannender wird daher zu beobachten sein, wie sich das Spiel angesichts scheinbar grundlegender Entscheidungen im späteren Verlauf verhalten wird.

Ein Beispiel dazu: Nach einer Weile erhält Fortuna Besuch von einer anderen Hexe aus dem Hexenzirkel, aus dem sie vor langer Zeit verstoßen wurde. Nach einem Dialog legen wir ihr die Karten und treffen dadurch Entscheidungen, die zumindest den Anschein erwecken, im späteren Spielverlauf bedeutende Weichen zu stellen: So können wir ihr prophezeien, dass sie in einen vernichtenden Krieg ziehen wird. Oder wir weissagen stattdessen einfach nur, dass wir eines Tages gute Freundinnen sein werden.

Ich habe mich für Letzteres, vermeintlich die langweiligere Wahl entschieden. Doch dann entwickeln sich die Geschehnisse völlig unerwartet: Mit der nächsten ausgespielten Tarotkarte weissage ich der zukünftigen Hexenfreundin, dass sie eines Tages einen Mord begehen wird. Das könne nicht sein, lacht diese mich aus, zu so etwas seinen Hexen gar nicht in der Lage, es sei denn, es handle sich bei dem Opfer selbst um einen Mörder. Oder um jemanden, der das Unvorstellbare gewagt und einen Dämonengott beschworen hat. Uppsi … Leider weiß ich nicht, wie sich diese Wahl auswirken wird, doch zwischen einer Zukunftr im Krieg, als beste Freundinnen oder als beste Freundinnen, die sich gegenseitig ermorden wollen, scheint mir doch ein recht grundlegender Unterschied zu bestehen.

The Cosmic Wheel Sisterhood - Ankündigungs-Trailer

Im ungewöhnlichen Adventure The Cosmic Wheel Sisterhood von Devolver spielt ihr eine junge Hexe, die einen Dämon beschwört, um sich aus dem Exil zu befreien.

Dass die mir gegenüber sitzende Hexe unser Gespräch als das menschgewordene Klischee einer emotionslosen Sachbearbeiterin mit Beamtenseele zu Protokoll nimmt und dabei in keiner Weise auf die tragische Dimension einer 200-jährigen unrechtmäßigen Verbannung eingeht, sondern nur schlicht die Kästchen auf ihrem Fragebogen abhakt, taugt im Übrigen als schönes Beispiel für das exzellente Gespür der Autoren für vielschichtige und extravagante Figuren und Szenen.

Ein weiteres Beispiel für die wirklichkeitsnahen Dialoge erleben wir in einem der Rückblicke, die einen weiteren erzählerischen Kniff in der Geschichte auszumachen scheinen und in der wir in einer Coming-of-Age-Episode von Fortunas Vorgeschichte erfahren: ein Urlaub mit den besten Freundinnen, mitsamt Übernachtung am Strand neben dem Flower-Power-VW-Bus. Es erinnert schon fast an die Leichtfüßigkeit von Oxenfree, wie die einzelnen Personen dort durch authentische Dialoge und glaubwürdiges Verhalten eingeführt und charakterisiert werden: Während Fortuna selbst eher von schüchterner und zurückhaltener Natur zu sein scheint, prahlt ihre Freundin am Lagerfeuer offenherzig mit offensichtlich völlig übertriebenen sexuellen Erfahrungen, die ihr angeblich einen fünf Minuten langen Orgasmus beschert haben. The Cosmic Wheel Sisterhood schneidet eine große Bandbreite unterschiedlicher Themen an, und Sexualität gehört ganz eindeutig dazu.

So, jetzt weißt du auch, was es mit der Überschrift auf sich hat. Am besten, du vergisst den plakativen Aufhänger sofort wieder und merkst dir nur den ganzen Rest. Denn The Cosmic Wheel Sisterhood ist ein Spiel, dass man als Freund interaktiver Geschichten und ungewöhnlicher Erzählexperimente unbedingt auf dem Schirm haben sollte. Es erscheint noch dieses Jahr für PC und Switch.

Fazit

Matthias Grimm - Portraitvon Matthias Grimm
Ein außergewöhnliches narratives Spiel zwischen Visual Novel, interaktivem Fantasy-Drama und … irgendwas mit Karten

Gerne hätte ich nach der einstündigen Pressedemo von The Cosmic Wheel Sisterhood noch weitergespielt. Denn die zur Verfügung stehende Zeit war viel zu kurz, um auch nur annähernd einschätzen zu können, wohin die Reise für Fortuna und ihren doppelzüngigen Dämonengott geht. Die Geschichte um die zu Unrecht verbannte Teenager-Hexe, den beschworenen Dschinn, der eigene undurchsichtige Pläne zu verfolgen scheint, und den mysteriösen Hexenzirkel macht jedenfalls schon einen höchst spannenden Eindruck und ist durch die eingestreute Vorgeschichte sogar noch in ein authentisches Coming-of-Age-Drama gebettet.

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Am spannendsten aber wird es zu sehen sein, wie stark sich die Entscheidungen auf den späteren Handlungsverlauf auswirken. Bereits früh scheint man Weichen zu legen, die zumindest große Einflussnahme nahelegen. Von den zahllosen kleinen Abweichungen, die schon jetzt in der kurzen Demo zu beobachten waren, ganz zu schweigen.

Wer nur irgendwas von Deckbuilding und Tarotkarten verstanden hat, dem sei nochmal versichert: Bei diesem Spiel handelt es sich nicht um das nächste x-beliebige Trading-Card-Game. Die Spielkarten dienen lediglich als höchst innovative und vielseitige Methode, die Geschichte in unterschiedliche Bahnen verzweigen zu lassen. The Cosmic Wheel Sisterhood könnte dadurch eines der interessantesten Erzählexperimente des Jahres werden.

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