Test - The Last Guardian : Ein Meisterwerk!
- PS4
Eigentlich hätte Fumito Uedas The Last Guardian vor vielen Jahren auf der PlayStation 3 erscheinen sollen. Schaut man sich das fertige Spiel an, kann man erahnen, warum dieser Plan nicht aufging. The Last Guardian ist ein epochales Werk, das man in dieser Form nicht oft zu Gesicht bekommt. Es hat mit einigen technischen Problemen zu kämpfen, die aber im Endeffekt nicht ausschlaggebend sind. Hier erwartet euch etwas ganz Besonderes.
Ein Junge wacht in einer Höhle auf. Er weiß nicht, wo er ist. Er hat auch keinen Schimmer, warum sein ganzer Körper mit Markierungen übersät ist. Doch der Junge ist nicht allein. Ein fantastisches Wesen liegt angekettet und von Speeren durchbohrt neben ihm. Dieses „Monster“ ist verängstigt, hat große Schmerzen und ist überaus aggressiv. Eigentlich sollte man in so einer Situation Vorsicht walten lassen, vielleicht sogar das Weite suchen. Aber dieser Junge kümmert sich um das Wesen, das als Trico bekannt ist.
Es ist der Anfang eines dieser Abenteuer, von dem man am Ende, wenn die Credits über den Bildschirm laufen, froh ist, ein Teil davon gewesen zu sein. The Last Guardian ist weniger ein Spiel, mehr eine einzigartige Erfahrung. Heruntergebrochen auf das Minimum, die Essenz dessen, was ein phänomenales Abenteuer ausmacht. Ihr werdet nicht mit halbgaren Gameplay-Features erschlagen oder abgelenkt. Die Spieldauer wird nicht unnötig mit sinnlosen Nebenaufgaben oder aufgeblasenen Zwischensequenzen in die Länge gezogen. Vielleicht wird es nicht jedem schmecken, eine üppige Spielwelt zu erkunden, in der man keinen Kram sammelt, wo man seinen Charakter nicht auflevelt, keine neue Ausrüstung freischaltet und keinen Loot in Kisten findet.
In der Ruhe liegt die Kraft
The Last Guardian ist so wunderbar schnörkellos. Von Anfang an ist das Ziel klar: Entkommt von diesem geheimnisvollem Ort. Das ist leichter gesagt als getan. Immer wieder ertappt man sich dabei, dass man sich Zeit nimmt (was ihr definitiv tun solltet) und sich mit heruntergelassener Kinnlade die Umgebung in Ruhe anschaut. Oftmals werdet ihr mit Ausblicken belohnt, die atemberaubend sind. Allerdings stellt euch The Last Guardian einige Male auf die Probe. Zwar sagt euch die Erzählerstimme immer wieder, wo ihr gerade seid, und gibt kleinere Denkanstöße, wenn ihr mal länger an einer Stelle festhängt. Ihr werdet aber nicht an die Hand genommen.
Obwohl umfangreiche Rätsel ausbleiben, ist an einigen Stellen Köpfchen gefragt. Viele Situationen, in die der Junge und Trico geraten, lassen sich auf kreative Art und Weise lösen. Auch wenn es oftmals nur einen richtigen Weg gibt, wirken die Lösungsschritte nie unlogisch und forciert. Vielleicht ist es gerade deshalb so befriedigend, wenn man endlich den Ausweg aus einer Sackgasse findet.
Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie sich das greifähnliche Wesen verhält. Trico lässt sich gerne ablenken und hört anfangs nur sehr widerwillig auf eure Befehle. Trotzdem scheint die haushohe Kreatur mindestens genauso neugierig auf euch zu sein. Klettert ihr in der Haut des kleinen Jungen irgendwo entlang, verfolgt es eure Taten auf Schritt und Tritt. Trennen sich für kurze Zeit die Wege der beiden, dann fängt Trico umgehend zu winseln an. Die stetig wachsende Beziehung zwischen den zweien ist das Highlight von The Last Guardian.
Ein ungleiches Duo
Trico und der Junge sind aufeinander angewiesen. Das Wesen überwindet mit Leichtigkeit größere Distanzen, zwängt sich durch kleinere Löcher und interagiert mit der Umgebung, um beispielsweise Tore zu öffnen oder Schalter zu betätigen. In vielen Momenten strahlt The Last Guardian eine ruhige Atmosphäre aus und lässt euch mit der Umgebung allein. Das bedeutet natürlich nicht, dass in den Ruinen keine Gefahren lauern.
Ihr werdet Bekanntschaft mit den mysteriösen Wächtern machen, die euch ans Leder wollen. Die Kämpfe mit ihnen, wenn man es denn so nennen mag, sind interessant und verlaufen anders, als man es gewohnt ist: Ihr könnt euch nämlich lediglich durch Schubsen wehren und müsst ansonsten versuchen, nicht von den Wächtern geschnappt zu wehren. Nur Trico ist in der Lage, den Gegnern ernsthaft Schaden zuzufügen. Trotzdem seid ihr auch in dieser Situation nicht nutzlos.
Der Feind, das Spiel
Aber es gibt weitaus größere Gefahren in The Last Guardian, die vom Spiel selbst ausgehen. Es ist schon fast traurige Tradition, dass die Steuerung alles andere als leicht von der Hand geht, auch wenn euch nur rudimentäre Aktionen zur Verfügung stehen. Kletterpartien gestalten sich an einigen Stellen als filigrane Gratwanderung. Noch einen Tick tückischer ist jedoch die Kamera. In engen Gängen verliert ihr oftmals die Übersicht, die ihr nur durch mühevolles Nachjustieren und ein bisschen Glück wiederbekommt.
Technisch treibt The Last Guardian die PlayStation 4 an die Grenzen – und darüber hinaus. Das führt dazu, dass die Bildrate oftmals einbricht. Gerade am Ende werden einige Momente unfreiwillig in Zeitlupe abgespielt. Dabei ist es übrigens egal, ob ihr die normale oder die leistungsstärkere PlayStation 4 Pro benutzt. Ein echtes Ärgernis, es sei denn, ihr spielt auf der PlayStation 4 Pro in 1080p-Auflösung. Hier bekommt ihr das geschmeidigste Spielerlebnis, was die Bildrate angeht. Ebenfalls richtig nervig: Zwar gibt es keine Bildschirmanzeigen, trotzdem bekommt ihr ständig angezeigt, welcher Knopf welche Aktion auslöst. Am Anfang mag das hilfreich sein, aber wenn selbst am Ende noch der Hinweis auftaucht, mit welcher Taste man springt, dann geht das nur noch auf den Keks, zumal man diese Anzeige nicht deaktivieren kann.
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