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Special - World Cyber Games – Interview mit Thomas von Treichel & David Schneider : Die E-Sport-Verantwortlichen im Talk

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    „Das ist das Schöne am E-Sport: Die Einstiegshürde ist im Grunde sehr gering. "

    GW: Wenn man E-Sportler werden und irgendwann einmal auf die WCG reisen möchte, was muss man dafür tun?

    TT: Das ist das Schöne am E-Sport: Die Einstiegshürde ist im Grunde sehr gering. Man muss beispielsweise nicht nachweisen, wie viele Stunden man das jeweilige Spiel zockt oder Ähnliches, sondern es kann im Grunde jeder daran teilnehmen, der die entsprechende Landesbürgerschaft hat und das jeweilige Spiel besitzt. Die Teilnahme ist kostenlos und es gibt verschiedene Wege, wie man sich für das Finale, wie zum Beispiel durch ausgewählte LAN-Partys, Event-Tours oder das Online-Turnier auf www.wcg-europe.com, qualifizieren kann. Auf der Website kann man sich überdies für den Newsletter anmelden, sodass man informiert wird, wenn neue Qualifikationen starten. So nimmt man erst an Turnieren teil; wenn man gut genug ist, wird man zu den National Finals eingeladen. Und dort spielt man dann darum, Mitglied des Nationalteams zu werden.

    GW: Sind diese E-Sportler immer Mitglieder von Gaming-Clans oder gibt es auch Solosportler?

    TT: Das kommt auf das jeweilige Spiel an. In einem WarCraft III, einem Starcraft oder einem Counter-Strike hat man natürlich sehr Clan-bezogene Spieler. Wenn man aus diesen klassischen E-Sport-Spielen rausgeht, wie zum Beispiel hin zu einem Guitar Hero oder Asphalt 4, wo es also keine wirklichen Clan-Strukturen im Hintergrund gibt, trifft man primär auf Einzelspieler. Für solche Spiele macht ein Clan auch wenig Sinn. Für Guitar Hero gibt es weltweit nur ein Turnier, nämlich die WCG, entsprechend lohnt es sich vom Aufwand, der Medienpräsenz und den Kosten her nicht, einen Clan zu dem Spiel zu unterhalten.

    GW: Die WCG-Weltmeisterschaften finden im nächsten Jahr in Köln statt. Wie ist es dazu gekommen, Köln auszuwählen? Ist die Stadt eine E-Sport-Hochburg?

    TT: Köln ist im deutschen Vergleich durchaus sehr weit vorne, was Events angeht. Es finden viele E-Sport-Veranstaltungen dort statt, außerdem wird im kommenden Jahr ja mit der Games.com der Nachfolger der Games Convention abgehalten. Als wir in San Francisco zum Finale 2004 waren, dachte ich einfach „Wow, das muss nach Deutschland". Weil die WCG einfach was Großes sind. Bilder und Videos können lügen, aber wenn man selbst auf so einem Event ist, dann sieht man erst, dass die WCG wirklich so groß sind. Das wollten wir nach Europa, das wollten wir nach Deutschland bringen und den hiesigen E-Sportlern zugänglich machen.

    Seit diesem Zeitpunkt haben wir daran gearbeitet, eine deutsche Stadt zu finden, die das mit uns vorantreibt. Denn wir können nicht sagen "WCG, komm bitte nach Köln!", sondern die Stadt selbst muss sich bewerben. Wie bei den Olympischen Spielen. Angefangen mit einem Fax, unterschrieben vom Bürgermeister, der erklärt, dass er die WCG wirklich unterstützen wird und das Event überhaupt in seiner Stadt haben will. Dann wird eine Delegation aus Korea eingeladen, die sich die Austragungsorte anschaut und so weiter. Es ist ein mehrstufiger Prozess.

    Wir von der WCG Europe waren dabei in der Zusammenarbeit mit Köln mehr beratend tätig. Am Schluss entschied man sich dann für Köln - gegen Städte aus China, aus Mexiko und Norwegen. Über die Entscheidung waren wir natürlich sehr froh und stolz. Ich denke, am Ende hat für Köln den Ausschlag gegeben, dass die Stadt das Event wirklich bei sich haben wollte. Man merkte dies auf allen politischen Ebenen. Die Vertreter von Köln wollten die WCG nicht einfach haben, um eine Pressemeldung rausgeben zu können. Vielmehr möchten sie das Event leben, groß und zu einem Erfolg machen. Das war ein entscheidender Punkt.

    „Gamer sind die kommunikativste Generation, die jemals auf diesem Planeten gelebt hat."

    GW: Apropos „Gaming leben wollen": Gerade die LAN-Szene und die Shooter-Spieler leiden ja in Deutschland unter den Klischees der Öffentlichkeit wie etwa „Killerspieler" oder „Gaming-süchtige Nerds". Leistet die WCG hier Aufklärungsarbeit und hat sich die Situation schon gebessert?

    TT: Ich sage immer, in Deutschland passiert am meisten, weil Deutschland bezüglich Games aber auch am weitesten hinten liegt. So Sachen wie hier auf der Suisse Toy, wo ich Counter-Strike auf der Leinwand über der Bühne zeigen darf, wären in Deutschland undenkbar. Dort muss ich eine Mauer drum machen und muss dafür sorgen, dass nur Sechzehnjährige oder ältere Leute im Publikum sitzen. Die WCG ist auf jeden Fall ein Tool, das Gaming auch anderen Leuten näher zu bringen. Einfach schon deshalb, weil man zugkräftige Materialien hat: Es gibt Nationalmannschaften, es gibt wie bei Olympia einen Einmarsch der Nationen mit Fahnenträgern, es wird ein Schwur auf Fairplay abgehalten, es gab in diesem Jahr einen virtuellen Fackellauf.

    Wir versuchen also sehr stark, mit Bildern zu arbeiten, mit denen die Non-Gamer etwas anfangen können. Ich nehme immer Oma Trude als Beispiel. Die muss erst einmal anfangen zu lesen. Sie liest "Die Olympischen Spiele der Computerspiele mit einer Million Dollar Preisgeld". Vielleicht liest sie dann nicht weiter, weil es sie nicht interessiert, aber sie ist hat immerhin so viel schon erfahren. Hätte ich da nur ein Bild von ein paar Leuten vor dem PC, hätte sie erst gar nicht angefangen zu lesen. Man muss erst den Einstieg mit entsprechenden Visualisierungen bereiten.

    Und dann ist es wichtig diejenigen Leute zu erreichen, die halt nicht die klassischen Gamer sind. Deswegen waren wir für die Deutschen Meisterschaften etwa schon im Heide-Park Soltau, im Spaßbad Tropical Island und so weiter. Dort geht man eben hin, um den Leuten zu zeigen, dass E-Gaming zwar vor dem PC sitzen ist, aber eben nicht alleine vor dem PC sitzen bedeutet. Viele Leute kapieren nicht, dass jemand nun mal nicht alleine vor dem PC hockt, sondern mit dem Headset auf dem Kopf vielleicht gerade mit einem Russen und einem Amerikaner gegen einen Franzosen, einen Chilenen und einen Spanier antritt. Dabei kommuniziert er und verbessert etwa sein Englisch. Bekommt von deren Kultur was mit, lernt Leute kennen und so weiter.

    Gamer sind eigentlich die kommunikativste Generation, die jemals auf diesem Planeten gelebt hat. Sie kommunizieren nur anders. Früher hast du halt gemütlich in der Stube Brettspiele gespielt. Und die hast du ja nicht gespielt, weil das Brettspiel gespielt werden musste, sondern weil es als Kommunikationstool verwendet wurde. Heute hast du dieses Brettspiel auf einer virtuellen Ebene - du sitzt vor dem PC und hast eine weltweite Stube. Das ist eine immense Entwicklung, die einfach an den Leuten trotz Globalisierung vorbeigegangen ist.

    „Klar, in Deutschland ist es einfacher als in der Schweiz, weil einfach andere Budgets zur Verfügung stehen."

    GW: Natürlich möchte ich von dir als deutscher E-Sport-Experte erfahren, wie es um die deutsche Nationalmannschaft steht.

    TT: Ich kann vielleicht gerade vom letzten Wochenende erzählen. Da hatten wir unter dem Motto "Operation Gold" ein Trainings-Camp, wo die deutsche Nationalmannschaft mit 40 Spielern plus 20 Betreuern - inklusive Teamcaptains, Physiotherapeuten, Psychologen, strategischen Beratern, die die Spieler auf die Turnier-Runden ganz wie im echten Sport vorbereiten - anwesend war. Die haben wir alle in die Hauptzentrale von Adidas eingeladen.

    Wir trafen uns etwa um sieben Uhr zum Laufen, dann gab's verschiedene Workshops, Medientraining, psychologische Vorbereitung, das Vermitteln der WCG-Philosophie, Kurse zum richtigen Verhalten, dann wurde mittags Basketball und Fußball gespielt, am Abend folgte ein Rittermahl mit Feuershow ... Also was vollkommen Anderes, als man mit E-Sport assoziiert, es ist mehr wie richtiger Sport gewesen. Also was die Jungs da am wenigsten getan haben, war am PC und den Konsolen zu spielen (lacht).

    Wir haben die E-Sportler nicht zusammengerufen, um sie verbissen vor dem Bildschirm trainieren zu lassen. Denn Spielen können sie, sonst wären sie nicht in der Nationalmannschaft. Wir wollten einfach Teambuilding betreiben. Das ist der nächste Schritt auf dem Weg zum richtigen Sport. Dass man Strukturen schafft. Klar, in Deutschland ist das einfacher als in der Schweiz, weil einfach andere Budgets zur Verfügung stehen. Aber langfristig ist das der Weg, den man beschreiten wird und den man beschreiten muss, wenn man E-Sport irgendwann auf demselben Level wie Sport haben will.

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