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Test - Children of Silentown : Gruselig schön und ganz schön knifflig

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Wer heutzutage Aufmerksamkeit mit einem Point-and-Click-Adventure erregen möchte, muss schon etwas Besonderes bieten, damit es nicht im Meer beliebiger Indiespiele untergeht. Children of Silentown fährt in dieser Hinsicht hartes Geschütz auf, denn mit knackigen Puzzles und dichter Atmosphäre stehen gleich zwei besonders auffällige Merkmale im Vordergrund.

Grusel in einem 2D-Spiel? Schwierig! Beinahe alle Schreckeffekte verpuffen in der Durchschaubarkeit des Szenarios. Nicht anders bei Children of Silentown, das in dieser Hinsicht kläglich versagt, obwohl es derlei Augenwischerei gar nicht nötig hat. Seine einfach gehaltenen, oft in Brauntönen verwirklichten Zeichnungen transportieren ein Gefühl von Einsamkeit und Abgeschiedenheit noch eindrucksvoller als der gelegentlich etwas zu dick auftragende melancholische Klavier-Soundtrack, und so vermittelt die Geschichte rund um das Mädchen Lucy auch ohne plötzlich hervorschnellende Tiere und abstruse Tunnelvisionen genug Gänsehautfaktor für eine Handvoll senkrechtstehender Nackenhaare.

Vielleicht nicht im ersten Kapitel, das sich für die Vorstellung von Spielfiguren und Basismechaniken arg viel Zeit lässt. Doch sobald die ersten mysteriösen Vorgänge Spuren in ihrem verschlafenen Örtchen hinterlassen, packt euch die Spannung rücklings am Schlafittchen. Ihr knobelt und bibbert mit der kleinen Hauptdarstellerin, deren Schicksal keine schönen Anekdoten bereithält.

Verdammt clever

Das ständig von Albträumen geplagte, aber gar nicht mal so kleine Mädchen – mag sie elf oder zwölf Jahre alt sein – lebt in einem Ort, in dem das Leben still vonstattengeht. Hier sprechen alle immerzu in leisem Ton. Lautes Spielen oder gar schreien ist verboten, weil die Bewohner des Dorfes fürchten, sie könnten dadurch schreckliche Monster aus dem benachbarten Wald anlocken, sehr ähnlich wie in M. Night Shyamalans The Village – Das Dorf. Wie viel davon Aberglaube ist, kann Lucy nicht abwägen, denn wenn sie in den heimischen vier Wänden mit ihrer Mutter singt, passiert ihr nichts. Und doch verschwinden immer wieder Dorfbewohner auf unerklärliche Weise.

Als Lucys Mutter eines Tages nicht mehr nach Hause zurückkehrt, beschließt das Kind, der Sache auf den Grund zu gehen. Gibt es diese gefürchteten Monster wirklich? Wenn ja, wie sehen sie aus, und warum haben sie es nacheinander auf einzelne Dorfbewohner abgesehen?

Fragen, die niemand beantworten kann. Oder doch? Manche Dorfbewohner wissen mehr als andere, doch sie schweigen aus diversen Gründen. Lucy muss tiefer graben, ihre Bedürfnisse erkennen und sie aus der Reserve locken, damit sie mehr von ihnen erfahren kann. Das wäre angesichts der allgegenwärtigen Furcht vor den Monstern schwierig, wenn Lucy nicht über eine besondere Gabe verfügte. Sobald sie anhand der Geräuschkulisse des Dorfes genügend Töne entdeckt hat, vermag sie mithilfe ihres Gesangs hinter die Fassade von Menschen und Gegenständen zu schauen. Wenige Noten eines Liedes genügen, um Gedanken einer Person offenzulegen oder Erinnerungen hervorzurufen, ja sogar Ereignisse längst vergangener Tage so klar zu erkennen, als ob sie gerade stattfänden.

Zumindest, nachdem ihr ein zugehöriges Puzzle geknackt habt, das ganz schön knifflig ausfällt. Die Gedanken von Dorfbewohnern können nämlich so unschlüssig oder schmerzhaft sein, dass sie zerreißen. Um sie zu erkennen, müsst ihr sie buchstäblich zusammennähen, was anhand eines Minispiels passiert, bei dem ihr einen Flicken mithilfe eines Garns in der Mitte zusammennäht. Damit das Garn hält, muss es die Löcher mehrerer Knöpfe passieren und darf nur innerhalb eines Knopfes gekreuzt sein. Klingt einfach, ist aber von Anfang an ganz schön knifflig, obwohl in der Regel mehrere Startpunkte für das Garn angeboten werden.

Noch mehr Gehirnschmalz verlangen euch Gegenstands-Rätsel ab, denn bei diesen müsst ihr drehende Kacheln mithilfe von frei platzierbaren Zahnrädern so drehen, dass auf den Kacheln ein durchläufiger Pfad von Startpunkt zur Zielfläche sichtbar wird.

Knobeln bis der Kopf raucht

Children of Silentown ist ein überraschend vielschichtiges Spiel voller solcher Kopfnüsse. Was an dieser Stelle besonders positiv hervorgehoben sein soll, denn ein paar Kritikpunkte klingen bei einer Ausführung in einem Text wie diesem negativer und schwerwiegender als sie in der Praxis sind.

Die oben angeführten Puzzles, wie auch weitere Rätsel, die den Handlungsfluss in regelmäßigen Abständen zum Stocken bringen, sind nämlich erstaunlich clever gestaltet. Daher klingt eine Beschwerde, sie seien vielleicht ein wenig zu trickreich für Durchschnittspieler, nach Meckern auf hohem Niveau. Nun, diese Beschwerde ist letztendlich keine, weil ein so hohes Puzzle-Niveau durchaus willkommen ist. Es wäre nur geschickter gewesen, eine sanftere Lernkurve zu berücksichtigen. Die Entwickler bei Elf Games werfen euch von Anfang an ins kalte Wasser und lassen euch schon beim ersten Puzzle gnadenlos absaufen, wenn ihr das Prinzip nicht gleich kapiert.

Was beim Gedanken-Nähen oder beim Zusammensetzen zerschnippelter Gewürzglas-Labels noch mit ein wenig Rückwärtsdenken lösbar erscheint, endet bei den Zahnrädern womöglich mit zeitraubenden Blindversuchen auf gut Glück, und das war sicher nicht der Vater des Gedanken.

Im Vergleich dazu wirkt der Rest der Point-and-Click-Spielmechanik, der sich ausnahmslos an genretypische Regeln hält, eher simpel. Ihr sprecht mit Stadtbewohnern, sammelt Gegenstände ein, kombiniert sie und nutzt sie an anderer Stelle. Das Inventar bleibt stets übersichtlich, weil es in jedem neuen Kapitel von unnötigen Gegenständen befreit wird und die meisten Rätsel scheuen unübersichtliche Zusammenhänge, bei denen man um drei Ecken denken oder mehr als zwei, drei Stationen abklappern muss.

Atmosphärisch überragend, spielerisch etwas hakelig

Grundsätzlich lobenswert, aber nicht immer von Vorteil, denn dadurch entstehen gelegentlich Rätsel-Abläufe, die keiner nachvollziehbaren Logik unterliegen. Siehe beispielsweise im zweiten Kapitel, wenn Lucy herausfinden soll, was andere Kinder im Geheimen hinter einem Schuppen treiben. Um an einem Jungen vorbeizukommen, der Schmiere steht, liest sie dessen Wünsche und findet heraus, dass sie ihn mit Süßigkeiten bestechen könnte. Wissen, das einem nichts nützt, weil man sich die Süßigkeiten nicht durch logische Schlussfolgerung erarbeitet. Man erhält ein Bonbon beim Knacken eines anderen Rätsels ohne direkten Bezug – unerwartet und durch Zufall.

Auch sucht man sich sinnlos einen Wolf bei einer Szene, in der man Tee zubereiten soll. Wasser und Kräuter? Ja, die findet man. Aber eine Tasse zum Zubereiten? Die taucht aus dünner Luft auf, wenn man Wasser und Kräuter im Inventar kombiniert. Solche Dinge mögen im Nachhinein bequem klingen, entbehren aber einer gewissen Logik, sodass man Zusammenhänge erwägt, wo spielerisch keine nötig sind.

Grundsätzlich darf man sich auch in diesem Spiel auf seine Intuition verlassen, nur ziehen sich die genannten Logik- und Schwierigkeit-Hänger durch das gesamte Spiel und gehen dabei unterschiedliche Permutationen durch. Mal wirkt die Reihenfolge eines Lösungswegs verwirrend, mal verlangt er nervige Wiederholungen eines Ablaufs, der erst durch das Verlassen des Spielabschnitts zurückgesetzt wird.

Children of Silentown - Release-Trailer

Das hübsch düstere Adventure-Spiel Children of Silentown erscheint bei den Genre-Experten Daedalic und erzählt die Geschichte der kleinen Lucy, die in einem Dorf mitten im Wald voller böser Monster lebt.

Schade, denn auch wenn solche kleinen Schnitzer keineswegs immer und überall vorkommen, strapaziert Children of Silentown manchmal unnötig den Geduldsfaden Wohlgesonnener, die sich vor allem der Atmosphäre wegen in dieses Spiel verbissen haben.

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Denn das Mysterium der verschwundenen Dorfbewohner offenbart einen Rattenschwanz an Verstrickungen, den man ab einem gewissen Zeitpunkt unbedingt aufdecken möchte, während man immer tiefer und tiefer in ein Szenario eintaucht, das seine schichtartig verschachtelten Offenbarungen geschickt ausspielt. Obwohl es abseits des Dorfes nur wenig zu sehen und entdecken gibt, genügen die wenigen Ortschaften, die man besucht, zum Erzählen eines dichten Plots vollkommen aus.

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