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Test - Football, Tactics & Glory : Lothar mag es langsam

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  • PS4
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Bitte nicht vom Hocker kippen, aber außer auf dem Titelbildschirm werdet ihr die Legende Lothar Matthäus im Spiel nicht zu Gesicht bekommen. Was er uns mit dem leicht verkatert wirkenden Blick und dem mahnenden Fingerzeig sagen möchte? Nach einigen Stunden mit Football, Tactics & Glory glauben wir, dass es eine Warnung sein soll ...

Erwartet ihr etwas in Richtung FIFA und PES oder seid auf der Suche nach einer Alternative zum Football Manager? Dann fällt Football, Tactics & Glory für euch flach. Denn damit kreierte der ukrainische Entwickler Creoteam eine eigensinnige Verschmelzung von Rollenspiel und Taktik-Tüftelei. Auf dem PC gibt es das Spiel schon eine Weile, nun folgt die PS4-Umsetzung.

Nach einem sehr knappen Tutorial finden wir uns als ehemaliger Profi auf der Trainerbank wieder. Wir erstellen entweder selbst eine Mannschaft oder wählen ein Team aus den vorhandenen Ligen. Zwar stehen verschiedene Länder zur Wahl, aus Mangel an Lizenzen finden sich bei Clubs wie Spielern jedoch ausschließlich Fantasienamen und -gesichter. Anders als auf dem PC besteht für die PS4-Version keine Möglichkeit, mittels Patch für realistische Verhältnisse zu sorgen. Wer sehr viel Zeit übrig hat, kann von den Wettbewerben über die Spielernamen bis hin zu den Trikots alles von Hand editieren.

Wir pfeifen aber eh auf den Glanz der Bundesliga und entscheiden uns lieber dafür, unseren früheren Kreisliga-Club DJK Wanne-Eickel 1988 zum künftigen Stern am europäischen Fußballhimmel zu machen. Kurzerhand sind halbwegs authentische Trikots und Logo erstellt, dann wird uns eine Zufallstruppe an die Trainerhand gegeben.

Damit gehen wir in der eigens umgetauften Oberliga an den Start. Statt in einem prunkvollen Stadion tragen wir unsere Heimspiele auf einem Bolzplatz mit gammeligen Parkbänken aus. Dazu besteht unsere Mannschaft aus Amateuren Ende 20, deren fußballerisches Vermögen Lichtjahre von Ronaldo und Messi entfernt ist.

Aller Anfang ist schwer …

Football, Tactics & Glory läuft rundenbasiert ab. Das Spielfeld ist in mehrere Rechtecke aufgeteilt. Bis zu drei Züge über diese Felder können wir pro Runde machen. Mit dem ersten rücken wir beispielsweise den ballführenden Kicker vor, mit dem zweiten spielen wir einen Pass zum Stürmer und mit dem dritten lassen wir den Goalgetter auf das Tor schießen. Das klingt einfach, ist aber erst der Auftakt.

Denn eine ebenso große Rolle wie die richtigen Züge spielen die Fähigkeiten jedes einzelnen Rumpelfußballers. Genauigkeit, Pass, Verteidigung und Kontrolle werden als Zahlenwerte dargestellt. Mit diesen steht und fällt jede Aktion auf dem Spielfeld: Wollen wir mit einem Verteidiger dem gegnerischen Stürmer das Spielgerät abluchsen, muss dessen Verteidigungswert höher sein als der Kontrollwert des Angreifers.

Umgekehrt hat der Torschuss des Stürmers nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sein Wert bei Genauigkeit höher ist als die Verteidigung des Torwarts. Besagte Angaben bestimmen bei der Ausführung einer Aktion die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg. Das kann aber auch bedeuten, dass beispielsweise ein Mittelfeldstratege trotz Topwert doch mal einen Pass ins Nichts spielt. Damit möchte Creoteam offenbar simulieren, dass selbst der weltbeste Kicker mal einen schlechten Tag haben kann.

Es gibt aber noch weitere Faktoren, die sich auf den Spielverlauf auswirken. Gelungene Spezialaktionen, beispielsweise ein besonderer Trick, verschaffen einen weiteren Zug für die aktuelle Runde. Pässe kommen nur dann sicher beim Mitspieler an, wenn kein Gegner dazwischen steht. Die Entfernung zum Tor beeinflusst zusätzlich den Erfolg eines Schusses. Durch ein Pressing werden die Fähigkeiten des unter Druck stehenden Spielers gesenkt. Und so weiter und so fort.

… und alles danach auch!

Spätestens an diesem Punkt vermissen wir umfangreiche Hilfestellungen, die uns die verschiedenen Spielmechaniken und Funktionen im Detail nahebringen. Leider integrierte Creoteam lediglich Texte und Grafiken, die mal einfach und mal kaum zu verstehen sind. Somit hilft nur mehrmaliges Lesen und anschließendes Ausprobieren auf dem virtuellen Grün.

In den anfänglichen Ligapartien läuft noch alles wie geschmiert. Weil unsere Kicker nach jeder Partie Erfahrungspunkte bekommen und somit ständig besser werden, bereiten die anderen Graupenteams keinerlei Probleme. Mit Spezialisierungen erhalten unsere Jungs unter anderem mehr XP pro Partie oder locken zusätzliche zahlende Fans ins Stadion. Schnell setzen wir uns auf dem zweiten Tabellenplatz fest und haben den Aufstieg im Blick.

Im Pokal bekommen wir jedoch unsere Grenzen aufgezeigt. Schon der erste Drittligist macht uns mächtig zu schaffen, weil seine Spieler schlicht in allen Bereichen besser sind. Selbst wenn wir den Ball bis an den gegnerischen Strafraum bekommen, fängt der Keeper jeden unserer Schüsse gefühlt mit der Mütze. Mitunter landet der Ball auch in den Beinen der davor stehenden Verteidiger. Umgekehrt haut uns der offensive Mittelfeldspieler aus der Distanz gleich mehrere Dinger rein. Somit enden unsere Pokalambitionen bereits in der zweiten Runde mit zwei Klatschen. In beiden Spielen läuft weder in der Defensive noch in der Offensive irgendetwas zusammen.

Nun könnten wir während der nächsten Transferperiode bessere Balltreter verpflichten – wenn denn das Geld vorhanden wäre. Sponsoren und Zuschauer spülen gerade zu Beginn der Karriere derart wenig Kohle in die Vereinskasse, dass wir unsere bisherigen Leistungsträger nicht mehr bezahlen können. Der Abschluss einträglicher Nebenaufgaben, wie etwa die Ausführung eines Hackentricks, scheitern daran, dass meine Spieler diese Fertigkeit nicht beherrschen und außerdem ewig brauchen, um sie im Training zu erlernen. Am Ende bleibt nur, die besten Spieler für viel Geld zu verkaufen und mit Neuzugängen weiterzumachen, die hoffentlich rasch einschlagen.

Taktische Meisterleistung

Es dauert noch einige Zeit, bis sich ein Gefühl von Kontrolle und Verständnis auf dem virtuellen Fußballplatz einstellt. Vor allem das vorausschauende Planen ist wichtig. Wohin kann der Computer ziehen? Welche Möglichkeiten haben wir, seinen nächsten Spielzug zu unterbinden? Aus welcher Position bieten sich für unsere Angreifer die besten Torchancen? Das alles abzuwägen, braucht Geduld, Aufmerksamkeit und Kenntnis der eigenen Truppe und des Gegners. Obwohl Football, Tactics & Glory deutlich weniger komplex ausfällt als der Football Manager, kommt auch hier erst die Arbeit und dann das Vergnügen.

Neben der Einzelspieler-Karriere besteht auch die Möglichkeit, online gegen andere Spieler anzutreten oder offline im Versus-Modus „Heißer Stuhl: Ein Spiel“, bei dem der Controller nach jeder Runde hin- und hergereicht wird. „Heißer Stuhl: Turnier“ funktioniert genauso, bietet allerdings die Möglichkeit, mit einer selbst gewählten Anzahl von Teams eine ganze Saison oder die K.o.-Phase eines Wettbewerbs zu erleben.

Audiovisuell gibt sich Football, Tactics & Glory sehr, sehr bieder. Die Spieler müssen mit einer Handvoll Animationen auskommen, die sich ständig wiederholen. Soundtrack und Effekte fallen noch spärlicher aus. Das Navigieren in den schlichten Menüs wurde mehr schlecht als recht an die Controllersteuerung angepasst. So ist unter anderem ein ständiger Wechsel zwischen Digikreuz und Analogsticks notwendig, um beispielsweise zwischen Kader und taktischer Aufstellung hin- und herzuwechseln. Viele Texte und Symbole fallen selbst auf einem großen Display arg kleinteilig aus. Kurzum: Dieses Spiel ist nichts für Ästheten!

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