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Preview - Reveil : Endlich mal ein Horror-Spiel, das euch nicht für doof verkauft

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Psychologischer Horror. Wann immer uns diese Wortkombination in einer Spiele-Ankündigung auflauert, regt sich sofort die Skepsis im Hinterkopf. Denn die meisten Spiele der letzten Jahre, und das waren nicht wenige, bemühten für ihren gewollten Grusel die immer gleichen Mechanismen, die die Spieler mittlerweile nur allzu gut durchschauen.

Jumpscares. Entstellte Puppen, die sich plötzlich ruckartig bewegen. Lange dunkle Gänge, an deren Ende die Ahnung vom Boogieman lauert. Dürre Mädchen mit langen Haaren. Eine überraschende Wendung, die man schon meilenweit gegen den Wind riecht … Die meisten Spiele des Genres „psychologischer Horror“ variieren lediglich die immer gleichen Schreckmechanismen, die irgendwann vor Jahren mal funktioniert haben, als sie noch neu waren, mittlerweile aber so abgedroschen auftreten, dass sie lediglich Gleichgültigkeit statt Schauer bewirken. Man versteht als Spieler, welchen Effekt sich die Entwickler bei der Konzeption überlegt haben, durchschaut ihn aber so schnell, dass er einen kalt lässt.

Als mir die jungen Entwickler vom deutschen Studio Pixelsplit beim gemeinsamen Abendessen von ihrem neuen Spiel Reveil erzählen, rolle ich instinktiv schon die Augen. Eine düstere Atmosphäre, die Beklemmung erzeugen soll, erwähnen sie etwa, und ich denke sofort: aha, der nächste P.T.-Nachahmer. Von ausgefuchsten Rätseln ist dann die Rede, und ich assoziiere sofort Penumbra. Es gäbe Schleichpassagen, in denen man wehrlos den Monstern ausgeliefert ist (aha, Alien Isolation), und ein Schrecken, der sich vor allem im Kopf abspielt (Amnesia). Eine total krasse, überraschende Wendung habe das Spiel schließlich zu bieten, heißt es als Nächstes, und ich kann nicht mehr länger an mir halten und rate sofort: Das Geschehen ist alles nur ein Traum, mit der der Protagonist ein traumatisches Ereignis verarbeitet. Gähn …

Doch daraufhin lächeln mich die Entwickler triumphierend an, wohl wissend, dass sie mich erfolgreich haben auflaufen lassen. Genau das sei ihre Absicht mit Reveil. All die oben beschriebenen Klischees, die die Horrorspiele der letzten Jahre so mittelmäßig bis schlecht angewandt haben, fänden sie nämlich genauso platt und doof. In Reveil setzten sie solcherlei Momente lediglich bewusst ein, um die Erwartungen anschließend zu unterwandern oder gar ganz zu brechen. Das will ich sehen, sage ich gespannt, und spiele gemeinsam mit ihnen am nächsten Tag ungefähr eine Stunde lang die ersten zwei (von fünf) Kapitel ihres Spieles durch.

In Reveil ist nichts so, wie es scheint

Und wirklich: Reveil gaukelt euch ständig vor, etwas zu sein, dass sich nur Augenblicke später als falsche Fährte enttarnt. Es beginnt wie ein typisches Horror-Adventure, in dem ihr die Umgebung nach nützlichen Gegenständen absucht und Minispiele löst, etwa eine Spielzeug-Kugel durch ein Labyrinth balanciert oder die Sicherung für einen Spielautomaten auftreibt.

Doch gerade als ich abschätzig bemerken will, dass das Spiel ja doch genau so 08/15 sei wie befürchtet, straft es mich Lügen. Denn auf einmal fehlt von Rätseln jede Spur. Stattdessen nimmt das Unheimliche in einem leeren Haus seinen Lauf und streckt ganz langsam seine Fühler aus. Surreale Ereignisse brechen in die Realität ein und werfen die ersten Fragen zur Geschichte auf: Wo befinden sich meine Frau und Tochter, die mein Protagonist zu suchen scheint? Was ist mit ihnen geschehen, und warum ist mein Protagonist ein offenkundig psychisches Wrack?

„Die krasse Wendung ist doch hoffentlich nicht, dass alles nur ein Traum war, mit dem er den Tod seiner Familie verarbeitet?“, äußere ich skeptisch die nächste These, um im nächsten Moment zu erleben: Das Spiel macht gar keinen Hehl daraus, dass wir uns in einer Art Traumwelt befinden, denn schon fällt die Realität in ihre Einzelteile auseinander. Die Entwickler von Reveil setzen keine plumpen Brotkrumen auf dem Weg aus, die zur offensichtlichsten Auflösung führen, sondern setzen gezielt falsche Fährten, um ihr Mysterium bis zum Schluss für sich zu behalten.

Plötzlich befinden wir uns in einem Zirkus, den wir im folgenden Kapitel erkunden. Und nicht nur dass es sich hierbei um ein originelles Szenario für ein Horrorspiel handelt (nein, es gäbe keine Killerclowns, meinen die Entwickler sofort, als ich schon wieder das nächste Klischee wittere), es wurde auch höchst kreativ umgesetzt: Es beginnt mit der (bewusst) ungruseligsten Geisterbahn der Spielegeschichte, die sich offensichtlich über plumpe Jumpscare-Schreckmomente lustig zu machen scheint, indem es heitere Pappkameraden statt garstiger Kreaturen aus dem Hut springen lässt, und mündet in ein Spiegelkabinett, das in meinem vergeblichen Bemühen den Weg hinaus zu finden, fast schon Platzangst auslöst.

Reveil - Trailer zum psychologischen Horror-Game von Daedalic

Im psychologischen Horror-Spiel Reveil von Daedalic ist nichts so, wie es scheint.

Hier wird vollends offenkundig, worum es den Entwickler tatsächlich mit ihrem Spiel geht: Reveil ist kein Horrorstück, das euch lediglich erschrecken möchte. Stattdessen spricht es andere, weniger furchteinflößende, aber subtilere Urängste an – wie eben in diesem Fall Verwirrung und Orientierungslosigkeit, die sich nur langsam aufbauen, dafür aber umso panischer entladen können.

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Grafisch sieht Reveil für ein verhältnismäßig kleines, deutsches Indie-Projekt hervorragend aus. Extrem detailliert und aufwändig mit Lichteffekten illuminiert. Ob die Vision von Reveil aufgeht, steht und fällt letzten Endes vor allem mit der Geschichte und ihrer Auflösung und dem Weg dorthin, auf dem sich schon viele ambitionierte Entwickler verlaufen haben, und der Frage, ob sie sich im Bemühen um ständige ironische Brechung auf Dauer nicht in der Endlosschleife der Selbstreflexion verheddern. Letztlich wie bei jedem anderen Horrorspiel eben auch. Aber allein der erkennbare Wille lässt mich gespannt hoffen.

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