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Special - Cybermobbing - Gastbeitrag : Altes Problem, neuer Name

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Mobbing

Als Lehrer und ehemaliges Opfer ist Mobbing für mich schon immer ein Thema gewesen. Ich reagiere da mitunter auch recht sensibel. Mehrmals im Jahr muss ich meinen Ärger hinunterschlucken, weil Auszubildende für, nun ja, recht seltsame fachfremde Tätigkeiten ausgenutzt werden. Eine Beschwerde bei der zuständigen Handwerkskammer bringt meistens wenig. Es gibt Streitschlichter, aber am Ende sind die Azubis immer die Leidtragenden und aus dem Traumjob wird schnell ein Alptraum, ein Kampf, eine bedrohliche Situation - die Abwärtsspirale ist programmiert. Am Ende hilft nur noch ein neuer Arbeitgeber, sofern man dann als „Petze“ noch eine Stelle in diesem Berufsfeld findet. Häufig ist den Opfern gar nicht klar, dass sie ganz klassisch gemobbt wurden und sie selbst etwas an der Situation hätten ändern können.

Eine typische Situation aus dem Nähkästchen

Ich muss diese Situation einfach schildern, denn sie nagt schon seit langer Zeit an mir. Eine Auszubildende in einem Konditoreifachbetrieb kommt auf mich zu, weil sie sich ungerecht behandelt fühlt. Sie berichtet mir von hanebüchenen Vorfällen, die angeblich im Betrieb an der Tagesordnung seien. Angeblich müsse sie, weil sie mal Germanistik studiert, es aber abgebrochen habe, die Berichtmappen der Mitazubis nach Feierabend korrigieren. Das sei eine Anweisung vom Chef. Einmal soll die Azubine von ihrem direkten Vorgesetzten anzüglich angefasst worden sein, im Beisein des Chefs, der daraufhin nur angemerkt habe, sie habe ja auch einen fetten Arsch.

Sie habe sich daraufhin etwas von ihrem Ausbildungsleiter und den chauvinistischen Kollegen distanziert. Die beiden Chefs hätten sie daraufhin in das Büro zitiert, wo sie auf einem Sessel Platz nehmen musste. Beide Chefs seien mit verschränkten Armen vor ihr gestanden und hätten sie erst mal angeschwiegen. Sie hätten dann gefragt, ob es etwas gebe, das sie ihnen erzählen wolle. Da sie keine Ahnung hatte, worum es ging, sagte sie nichts. Den Chefs sei aufgefallen, dass sie keinen besonders guten Draht zu den Kollegen habe, das wirke sich negativ auf die Stimmung aus. Sie würde nicht mit den anderen tratschen und quatschen, würde zurückgezogen arbeiten. Ob mit ihrer Arbeit etwas nicht in Ordnung sei, wollte sie wissen. Nein, es sei alles in bester Ordnung, aber an ihrer Stimmung müsse sie arbeiten.

Die Azubine ist, das muss ich an der Stelle sagen, die talentierteste Konditorin, die ich jemals gesehen habe, und unglaublich einfühlsam. Sie wollte lernen, wollte sich verbessern, freute sich auf ihre erste Fortbildung, auf ihr „Tortenseminar“, wie sie es nannte. Die Chefs schickten sie stattdessen auf ein Seminar mit dem klangvollen Namen: „Immer Lächeln.“ – Verkaufsrethorik für Angestellte. Die Azubine war wütend und enttäuscht. Das Seminar wiederholte nur Stoff, den sie aus dem Studium schon kannte. Sie fühlte sich diskriminiert und machtlos. Sie wollte nicht auf das Seminar. Es gab sogar Kollegen aus dem Bäckereifachbereich, die an ihrer statt auf ein Tortenseminar geschickt wurden, weil sie in ihrer Freizeit gerne ein bisschen backen würden.

Um mich nicht in Details zu verlieren: Auf der ersten Mitarbeiterversammlung wurden folgende Worte zur Begrüßung der Mitarbeiter verwendet: „Wir möchten die heutige Mitarbeiterversammlung mit einem mahnendem Zeigefinger in Richtung Schlecker beginnen. Die Familie Schlecker ist nicht pleitegegangen, weil sie, wie vielerorts behauptet wird, gemissmanagt hat. Die Familie Schlecker ist pleite, weil die Mitarbeiter klauen. Ab sofort nehmt ihr keine falsch angeschnittenen Kuchenstücke mehr mit nach Hause, ab sofort nehmen wir Geld aus der Trinkgeldkasse, wenn die Kasse nicht stimmt, ab sofort …“

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