Test - Der Super Mario Bros. Film : Filmkritik: 93 Minuten purer Fan-Service für Jung und Alt
In gewisser Weise erzählen Nintendo und Illumination mit dem Animationsfilm die Origin-Story von Mario und Luigi. Abseits der Anfänge in Brooklyn bietet der Streifen aber exakt das, was Fans sich erhoffen: jede Menge gute Laune, liebevoll interpretierte Elemente der Videospielvorlagen und Animationen der Extraklasse. Ein wahres Feuerwerk für Anhänger des italoamerikanischen Klempners also. All jene, die bisher kaum Kontakt mit dem Jumpman hatten, bereuen den Kinobesuch aber sicherlich auch nicht. Nur die ganz große Begeisterung bleibt in dem Fall aus.
Vergessen wir nicht, dass Nintendos legendäre Jump-and-Run-Reihe schon einmal über die große Leinwand hüpfte. Die Realverfilmung von 1993 legte aber eine so brachiale Bruchlandung hin, dass nicht einmal Bowsers feuriger Atem die Schmach wegzubrennen vermag. Der Mario-Darsteller Bob Hoskins selbst gab vor einigen Jahren in einem Interview gar an, wenn er eine Sache in seinem Leben ändern könnte, würde er nicht mehr in dem Streifen mitwirken. Autsch.
Jetzt, 30 Jahre später, schlägt Nintendo einen deutlich anderen Weg ein. Für die naheliegende Idee eines Animationsfilms schloss sich der japanische Konzern mit den Minions-Machern Illumination Entertainment zusammen. Shigeru Miyamoto, der Mario-Schöpfer höchstselbst, fungierte nicht nur als Produzent, er überwachte auch jeden Produktionsschritt, überarbeitete Skizzen und Storyboards und ließ dem Studio dabei aber doch die nötige Freiheit, eigene Impulse unterzubringen.
Im Vorfeld rissen die Fans noch Witze über den geschrumpften Hintern von Mario und wollten Chris Pratt als Synchronsprecher direkt in Bowsers Kerker stecken. Jetzt läuft der Film aber tatsächlich an und die Erwartungen sind hoch. Es wird gar gemunkelt, hier warte der größte Blockbuster des Jahres. Nach der Pressevorführung der deutschen Version vermag ich es weder, diese Aussage zu dementieren, noch sie zu bestätigen. Glücklich bin ich aber allemal.
Von Brooklyn ins Pilzkönigreich
Die filmische Reise skizziert einen klassischen Isekai. In diesem japanischen Popkultur-Genre verschlägt es eine oder mehrere Personen aus der echten Welt in ein Fantasy-Universum. Mario und Luigi verdingen sich als Klempner in New York. Gerade erst erfolgte der Schritt in die berufliche Unabhängigkeit. Erste Aufträge laufen freilich nicht so rund wie gehofft, der erste TV-Werbespot sorgt für Spott am familiären Esstisch.
Ein tropfender Wasserhahn im Haus zweier versnobbter wohlhabender Kunden zeichnet die Wesenszüge der Brüder ausreichend gut, um auch als Neuling zu verstehen: Mario ist der lässige Hansdampf in allen Gassen, Luigi hingegen tollpatschig und bisweilen auch etwas feige. Sonderlich viel Tiefe erreicht aber keine Figur des Filmes, dafür wollte Nintendo spürbar zu wenige Risiken und Abweichungen der altbekannten Formel in Kauf nehmen. Prinzessin, Affe, Pilzkopf, all diese Grundtypen reichen aber auch vollkommen für einen unterhaltsamen Animationsfilm.
Ins Pilzkönigreich verschlägt es die beiden durch einen großen Zufall. In der Kanalisation stoßen sie auf eine mysteriöse Röhre, die Fans bereits freudig in die Hände klatschen lässt. Das grüne Konstrukt saugt die Brüder kurzerhand ein und nach einem farbenfrohen Ritt durch den Dimensionstunnel landet Mario im farbenfrohen und fröhlichen Reich von Prinzessin Peach, Luigi hingegen in der Lavawelt von Bowser. Die stachlige Schildkröte hat kürzlich den Power-Stern erbeutet und plant, mit ihm die gesamte Welt zu übernehmen, mit einem simplen wie perfiden Hintergedanken: Er will Peach ehelichen.
Recht viel mehr Fleisch kriegt die Geschichte nicht. Letztlich stört das aber auch nicht groß, denn zwei Faktoren spielt die flache Story gekonnt in die Hände: Zum einen eignet sich der Super Mario Bros. Film bestens für jüngere Semester, da keinerlei komplexen Zusammenhänge verstanden werden müssen. Zum anderen bleibt genügend Raum für Anspielungen auf die Vorlagen, ohne dass Neulinge überfordert werden.
Einmal anschauen reicht nicht
Schon die ersten paar Minuten in New York stopft Illumination dermaßen mit Anspielungen auf die Mario-Spiele wie auch andere Nintendo-Produkte voll, dass ich Dreifachsprünge vor Freude machte. Hier ein Duck-Hunt-Cafe, dort eine Pikmin-Glasfigur, an anderer Stelle Mr. Game & Watch auf einer Plakatwand, in der Pizzeria steht ein Jumpman-Arcade-Automat und Luigis Handy klingelt mit einer abgewandelten Form des Gamecube-Soundtracks. Ich wage zu bezweifeln, auch nur die Hälfte der visuellen Easter-Eggs entdeckt zu haben, so reizüberflutend fiel der noch halbwegs realistische Beginn des Super-Mario-Bros.-Filmes aus.
Freilich flachen die Selbstbezüge im Pilzkönigreich nicht ab, im Gegenteil. Hier drehen die Filmemacher richtig auf. Während Mario und Peach durch die Welt wandern, erblickt man Levelsegmente aus Super Mario 64 und Super Mario Odyssey. In einem Retroladen in der Hauptstadt der Toads entdeckt ihr Items aus der 8-Bit-Ära und die Musik, ach die Musik …
Die einzelnen Stücke kennt jeder Mario-Fan bestens, sie wurden aber nicht einfach plump angeeignet. Kōji Kondō, Nintendos hauseigener Komponist, überarbeitete die Klassiker mit Brian Tyler liebevoll und arrangierte sie neu. Dazu gesellen sich zahlreiche Hits der Achtziger und Neunziger, die sich nahezu immer perfekt in die jeweilige Szene einfügen und ältere Semester sehnsüchtig in die eigene Jugend blicken lassen. Thunderstruck von AC/DC als Hintergrund für den Zusammenbau von Karts passt wie die Klempnerfaust an den Steinblock, ebenso wie Take on Me zu Marios Versuchen, die Hindernis-Parcours von Prinzessin Peach zu absolvieren. Bowsers Gesangseinlage hätte nicht sein müssen, aber vermutlich stellte Jack Black diese Voraussetzung, um der Echse seine Stimme zu leihen.
Die nahtlose Implementierung und Erklärung der Power-ups überraschte mich regelrecht. Die Herrscherin des Pilzkönigreichs erläutert an nur einer Stelle, was der klassische Pilz bewirkt, er lässt Mario wachsen und macht ihn stärker. Sämtliche weiteren Kostüme und Items ergeben sich aus dem Kontext. Blauer Pilz macht klein, Tanuki-Outfit sorgt für Gleit-Kräfte. Bei einem Verfolgungsrennen auf Karts springt der rot gewandete Held einem Koopa auf den Schädel, der sich daraufhin in seinen Panzer zurückzieht. Den nutzt Mario, um ein Gefährt von Bowsers Schergen von der Rainbow Road zu ballern. In Kombination mit dem hohen Detailgrad machen solche Szenen einfach nur Spaß.
Sprachliche Differenzen
Die englische Sprecherriege ließ Fans im Vorfeld gleichermaßen mit den Ohren schlackern wie auch gewisse Bedenken äußern. Jack Black als Bowser, Seth Rogen als Donkey Kong und Anya Tailor-Joy als Peach? Let’s-a-go! Chris Pratt als Mario? Oh no! Während ich aufgrund der Trailer zwar absolut keine Probleme mit den Stimmen höre, gab es bei der Pressevorführung lediglich die deutsche Fassung auf die Gehörgänge. Die überzeugt aber nahezu durchgängig, nur eine empfindliche Ausnahme findet sich dann doch.
Leonhard Mahlich als deutscher Mario funktioniert ebenso gut wie Tobias Meister, der Bowser seine Stimme leiht. Kein Wunder, schließlich synchronisieren die beiden regelmäßig die englischen Sprecher. Mario Gavrilis für Donkey Kong zu casten war schon ein kleiner Geniestreich, denn er bewies vor allem als Dio Brando in JoJo’s Bizarre Adventure, dass komplette Over-the-Top-Rollen genau sein Wetter sind.
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Insgesamt also alles super im Kartoffelkönigreich. Mit der Ausnahme von Prinzessin Peach, der Dalia Mya Schmidt-Foß ihre Stimmbänder zur Verfügung stellt. Letztlich passt die Synchronsprecherin und Influencerin zwar gar nicht schlecht auf die Rolle, lässt aber Emotionen vermissen. Peach löst sich im Super Mario Bros. Film spürbar von ihrer angestammten Rolle als „Damsel in Distress“ und wehrt sich in teils kernigster Manier. Wo die hervorragend animierte Figur Zorn und Abscheu zeigt, klingt Dalia aber bisweilen so, als würde sie ein Kochvideo vertonen. Warum hier nicht die übliche deutsche Stimme des Damengambit-Stars Lina Rabea Mohr verpflichtet wurde, erschließt sich mir nicht.
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