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Test - The Walking Dead: Saints & Sinners : Zombie-Fans brauchen ab sofort eine VR-Brille

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  • PS4
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Zombies gehen immer. Sie sind dankbares, hirnloses Kanonenfutter und furchterregende Fressmaschinen zugleich, was sie zum perfekten Gegner in Survival-Games macht. Dass Untote auch in der virtuellen Realität ihre Wirkung nicht verfehlen, beweist The Walking Dead: Saints & Sinners. Dank der Haptik der Oculus-Rift-S-Bewegungssteuerung gefror mir zeitweise das Blut in den Adern.

Wenn sie mit Bedacht gestaltet wird, kann virtuelle Realität einen Spieler völlig vereinnahmen, selbst wenn die Grafik keinen Hang zum Fotorealismus hat. Jedes Mal, wenn ich in dieses Zombie-Gemetzel einsteige, vergesse ich zeitweilig, wo ich in Wirklichkeit bin, wie viel Zeit vergangen ist und ob der Schweiß auf meiner Stirn von der nervenaufreibenden Immersion kommt oder lediglich von der Gummivignette meines Headsets verursacht wird.

Durch die VR-Brille sehe ich eine Straße in New Orleans, die der Apokalypse anheimgefallen ist. Wahllos herumstehende Autos versperren die Wege, Müll liegt herum, graue Wolken füllen den Himmel. Wäre mein Arbeitszimmer nicht angenehm geheizt, so würde ich mir vermutlich allein der Stimmung halber einbilden, dass ein kalter Wind um meinen Hals weht. Wind, der das kranke Gurgeln und Ächzen der umliegenden Untoten zu mir trägt.

In der Serie The Walking Dead nennt man sie Walker, auch wenn sie eher gemächlich schlurfen. Sie legen nur dann einen Zacken zu, wenn sie meinen Avatar entdecken. Was tun, wenn wirklich einer kommt? Die Pistole zücken? Ungünstig, so ganz ohne Munition. Ein Messer in den Kopf rammen? Dazu müsste ich erst umständlich in meinen Inventar-Rucksack greifen. Ich schnappe mir stattdessen die nächstbeste Bierflasche von der Straße und donnere sie ihm auf den Schädel. Die Flasche zerbricht. Umso besser! Jetzt kann ich ihm die scharfe Glaskante quer durch das Auge in die Gehirnmasse stoßen. Eine makabere Angelegenheit, weil der Rest der Flasche in seinem Schädel steckenbleibt und nur durch einen heftige Ruck wieder herausrutscht.

Zombiehatz mit Körpereinsatz

So etwas zu beobachten, mag für Zartbesaitete schon unangenehm sein. Richtig beklemmend wird es aber erst durch die Haptik. Die beiden Oculus-Touch-Controller in den Händen arbeiten stellvertretend für alles, was ich innerhalb des Spiels in den Händen halte, ob Messer, Knarre oder Knüppel, daher muss ich auch mit ordentlich Schmackes zuhauen oder stechen, wenn ich den Walkern eins überbraten will. Die Geschwindigkeit der Bewegung spielt dabei weniger eine Rolle als der Radius des Ausholens. Man muss das Messer richtig schwingen, damit es im Kopf eines Zombies versenkt wird, ebenso wie mit der Axt voll ausgeholt werden muss, um ihn zu köpfen.

Das fühlt sich unangenehm an, weil es eine Handlung darstellt, die ich in der Realität niemals ausüben würde. Aber es steigert die Immersion ins Unermessliche. Getrieben von der virtuellen Angst, als Walker-Snack zu enden, fuchtel ich wild in der Luft herum. Wenn ich unbewaffnet bin, versuche ich, zumindest den Kopf des nächsten Untoten zu greifen und ihn wegzustoßen, damit ich Platz für die Flucht gewinne. Inzwischen spritzt mir das Adrenalin aus Ohren, Mund und Nase.

Immersion durch nachvollziehbare Physik ist das A und O in diesem Spiel. Menüs und Anzeigen wurden nur dort implementiert, wo es zwingend notwendig war. Will ich an mein Inventar, so hole ich den Rucksack von meinem Rücken, eine Taschenlampe hängt an der linken Brust, will ich an meine Pistole ran, dann greife ich an den virtuellen Holster an meinem Gürtel. Selbst das Laden der Revolvertrommel muss ich manuell ausführen, was nicht nur witzig ist, sondern auch die Spannung erhöht, wenn es mal eng wird. Abseits seltener Fehlinterpretationen gelingen alle Gesten durchweg wunderbar. Wenn solche Systeme noch verfeinert werden, können wir wohl in ein oder zwei Jahrzehnten wirklich in „The Oasis“ eintauchen, wie im Film Ready Player One.

The Walking Dead: Saints & Sinners beschränkt sich keinesfalls auf pure Action. In den veranschlagten 15 Stunden Spielzeit geht es nicht nur um das reine Überleben, sondern auch um langfristige Planung, das Erfüllen von Aufgaben und das Absuchen von acht Gebieten. Ein großer Teil der Gebiete besteht aus Straßenkreuzungen mit künstlich begrenztem Areal. Meist soll man dort ein Haus infiltrieren, um gewisse Gegenstände zu finden, die den Handlungsstrang weiterstricken. Gelegentlich geht es auch nur um kleine Gefallen für herumstehende NPCs, denen ich per Multiple-Choice-Gespräch zusichere, Erinnerungsstücke von Verwandten, Verbandszeug oder Ähnliches zu besorgen.

Sammeln, craften, Quests erfüllen

Die Zeit dafür ist auf eine halbe Stunde je Areal begrenzt und lässt sich anhand der Armbanduhr des Avatars abschätzen. Wenn nämlich die Kirchenglocken läuten, stürmen Horden von Walkern das Gebiet. Das endet meist unglücklich. Einfach durchrennen ist aber auch nicht möglich, da man mit den Ressourcen haushalten muss. Munition ist knapp, Medizin und Nahrung noch knapper. Ich muss sparen, daher bleibt nur die Option, den Schlurfern aus dem Weg zu gehen. Ich muss mich genau umsehen, Hinterhöfe durchqueren, über Mauern steigen, auf Garagen klettern oder durch Keller krabbeln.

Solche sportlichen Einlagen kosten meine Hauptfigur massig Ausdauer, die sich nur langsam wieder füllt und durch wiederholte Aktionen abnimmt, weil sie müde wird. Dagegen hilft der Verzehr von Nahrung. Der ein oder andere Snack liegt sogar einfach herum. Soll ich ihn mampfen? Nah, lieber nicht! Der Verzehr gammliger Schokolade und Getränkedosen, die laut Beschreibung 0,00001% Fruchtsaft enthalten, geht auf Kosten der Gesundheit.

Nur frische Nahrung ist gesund, aber die muss ich eigenhändig craften. Dazu benötige ich Rohstoffe, die ich in meinem Rucksack lagere und auf meinen Stützpunkt auf einem alten Friedhof bringe, um sie auszuschlachten. Puh, das ist ein ziemlich anspruchsvoller Bedarfs-Kreislauf, dessen Erfüllung mehrere Spielstunden füllt.

Rohstoffe liegen nämlich theoretisch überall herum, aber der Platz im Rucksack ist begrenzt, zumal nicht nur Nahrung und Medizin gecraftet werden sollen, sondern auch Waffen und Munition, die regelmäßig aus- oder zu Bruch gehen. Von der halben Stunde jeder Erkundungstour geht locker die Hälfte für das Durchwühlen von Schubladen, Schränken und Vitrinen drauf.

Je länger ich mir damit Zeit lasse, desto schlechter allerdings die Ausbeute, denn eine Reise zu den acht Schauplätzen ist nur bei Tag möglich und mit jeder Nacht steigt die Anzahl der Untoten, während stetig weniger Rohstoffe zu finden sind. Das endet zwangsläufig in einer Versorgungs-Sackgasse, wenn ich mir zu viel Zeit lasse oder zu oft das Zeitliche segne. Letzteres ist auch so schon übel genug. Den Rucksack in Dark-Souls-Manier vom Ort des Scheiterns auflesen zu müssen, ist nervig, aber nötig, sofern ich den mühsam gesammelten Inhalt nicht verlieren will.

Vollwertiger Survival-Horror mit kleinen Macken

Das alles klingt für ein VR-Spiel ganz schön kompliziert, nicht wahr? Ist es auch. Kein Vergleich mit den vielen Gaming-Snacks, die es für Rift und Vive im Dutzend billiger gibt. Sieht man von der VR-Haptik ab, die manchmal Kompromisse verlangt, so erfüllt The Walking Dead: Saints & Sinners sämtliche Anforderungen, die man an ein übliches Spiel dieses Genres stellen würde.

Ein Kompromiss wäre beispielsweise das etwas umständlich gestaltete Crafting auf dem Friedhof. Statt gesammelte Gegenstände an der Werkbank zu verarbeiten, wirft man sie in einen Recycling-Container und erhält dafür Rohstoffpunkte in diversen Kategorien. Erst nach einer gewissen Anzahl solcher Punkte werden wichtige Rezepte anhand von Upgrades freigeschaltet, was aber noch lange nicht garantiert, dass man sie auch umsetzen kann. Stattdessen aktiviert man eine Tracking-Funktion, die einen benachrichtigt, wenn man die nötigen Rohstoffe beisammenhat.

Der Must-Play-Titel für VR? - VR-Zocksession zu The Walking Dead: Saints & Sinners

The Walking Dead: Saints & Sinners ist ein perfektes Beispiel wie VR-Spiele in 2020 aussehen müssen. Ein vollwertiges Spiel mit viel Inhalt und Tiefe.

Das wirkt ein wenig überambitioniert, zumal es das Pferd von hinten aufzäumt. Und das ist auch in der Ausführung nicht sonderlich spannend, weil man Gegenstände herstellt, indem man sie auf anhand von herumhängenden Notizzetteln aussucht. Gerade hier hätte die Haptik-Steuerung gerne noch weiter ausgewalzt werden können, denn anderweitig gibt es auf dem Friedhof bei Nacht nicht viel zu tun. Man darf zwar mal einen Schlüssel suchen, per Funk mit Questgebern sabbeln oder die Gegend erkunden, aber das reizt den Friedhof als zentralen Hub des Spiels nicht aus.

Zumal es Gegenstände gibt, die man zwar früh im Spiel craften, aber nicht gleich mitnehmen darf, weil der Rucksack es nicht hergibt. Siehe etwa die großen Knüppel oder das Pfeil-und-Bogen-Set. Der Friedhof wirkt somit etwas unterrepräsentiert. Aber das ist insgesamt kein schwerwiegender Lapsus. VR-Spiele sind aufgrund des Headsets anstrengender als normale Spiele und benötigen (zumindest heutzutage noch) klare Grenzen und überschaubare Ziele.

Dass die peripheren Schauplätze merklich begrenzt wurden und viele Aufgaben nicht mehr als simple Fetch-Quests darstellen, verzeiht man dem Spiel gerne, da das VR-Erlebnis und das Bestaunen der Umwelt weitreichend davon ablenken. Abgesehen vom Laufen per Analogstick funktioniert hier nichts automatisch, und je mehr man sich reinhängt, desto spaßiger wird es. Daher ist mein ganz persönlicher Rat an alle Käufer, es im Stehen zu spielen. Es funktioniert auch im Sitzen, inklusive kleiner Feinheiten wie um die Ecke schielen, aber so richtig mittendrin ist man nur, wenn man steht.

Die Bewegung per Analogstick birgt natürlich die Gefahr der Motion-Sickness. Entwickler Skydance nutzt die üblichen Mittel, um dem vorzubeugen, etwa durch eine schwarze Vignette am Bildschirmrand, die immer dann eingeblendet wird, wenn man sich bewegt. Ich hatte zudem das Gefühl, der Übelkeit besonders effektiv zu entkommen, wenn ich beim virtuellen Laufen zugleich auf der Stelle schreite, was ein weiteres Argument für stehendes Spielen darstellt.

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