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Test - Yakuza: Like A Dragon : Besser als Final Fantasy - und komischer!

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Humor haben sie ja, diese Japaner. Einige von ihnen wissen offenbar ganz genau, wie man eine Geschichte erzählen muss, damit ihre ernste Grundlage die Situationskomik gewisser Szenen besonders hervorhebt. Erzählungen über Yakuza-Klans, also die japanische Mafia, stellen im Normalfall keine gute Basis für Komödien dar, aber so wie seine Vorgänger bot mir auch Yakuza: Like a Dragon dank etlicher Videospiel-Seitenhiebe und einer völlig abgedrehten Erzählweise genug Material für ausgiebige Lachanfälle.

Ursprünglich sollte die Yakuza-Prügelspiel-Reihe in die Fußstapfen der Shenmue-Serie treten. Sozusagen als spiritueller Nachfolger mit groben Gemeinsamkeiten, von denen einige noch immer bestehen. Die da wären: dichter Plot, viele Nebenbeschäftigungen in einer offenen Welt, nette Grafik und viel Prügelei. Es gibt aber auch die andere Seite von Yakuza. Die abgedrehte, wenn nicht gar völlig sinnlose Seite, von der ich glaube, dass sie den Hauptanteil am Ruhm trägt. Letztere war immer ein willkommener Kontrast zur Einseitigkeit plumper Zwei-Button-Prügeleien und ein guter Anlass, saukomische Videos zu erstellen.

Der neueste Ableger mit dem Untertitel Like A Dragon vollzieht nun einen Wandel zum Rollenspiel und verschafft der spielerischen Basis dadurch ein abwechslungsreicheres, um nicht zu sagen noch unterhaltsameres Grundgerüst. Geht deswegen der Nonsens-Anteil verloren? Iwo, ganz im Gegenteil. Nur muss die ernste Seite noch stärker in die Handlung rücken, um das nötige Gewicht zu bekommen.

Verbrecherdrama auf den Straßen Yokohamas

Der neue Hauptdarsteller Ichiban Kasuga lebt bei Spielbeginn unter strengen Verhältnissen. Er verdient seinen Lebensunterhalt als Geldeintreiber des Tojo-Klans, was ihm Ärger einbringt, weil er für den Job ein zu weiches Herz hat. Ein Weichei ist er allerdings nicht. Wenn ihm jemand auf der Straße querkommt, fliegen Fäuste. Sein Glaube an die Ehre der Yakuza verhindert lediglich sinnlose Gewalt gegen Hilf- und Mittellose. Aufgrund des guten Drahts zum Familienoberhaupt Masumi Arakawa, der ihn einst als ziellosen Waisen in den Klan aufnahm, kommt er trotz des Grolls anderer Klanmitglieder damit durch.

Ich gebe zu, Bildsprache und Namensgebung spielten mir einen Streich. Ichiban bedeutet auf Japanisch nämlich so viel wie „Nummer eins“ oder „der Beste“, was ganz klar einen Hinweis auf die Beziehung zwischen den beiden darstellt. Verwirrt von der Tatsache, dass ich das Wort sonst nur als Attribut kenne – etwa aus dem Namen des Berliner Kultladens Monster Ronson’s Ichiban Karaoke – ließ ich mich auf die Erzählung einer Meister-Zögling-Beziehung ein, die mich emotional mitriss. Insbesondere zu dem Zeitpunkt, als der arme Tropf doch nicht wie erwartet im Klan aufstieg, sondern freiwillig in den Knast wanderte, um eben jenen Patriarchen zu decken. 18 Jahre hinter schwedischen Gardinen? Das muss echte Dankbarkeit sein.

Leider wird Ichis Opfer nicht gewürdigt. Als er im Jahr 2019 das Gefängnis verlässt, wartet niemand auf ihn. Alle Unterweltverhältnisse, mit denen er aufgewachsen war, existieren nicht mehr und Masumi Arakawa ignoriert seinen einstigen Zögling, der inzwischen stolze 42 Jahre Lenze auf dem Buckel trägt. Von den neuzeitlichen Gegebenheiten völlig verwirrt (Handys, Apps, Internet), lässt er sich in die Ermittlungen eines früheren Polizisten verwickeln, was unserem Helden eine Kugel in der Brust einbringt, die ihm Masumi Arakawa höchstpersönlich verpasst. Uff! Klingt das nach Komödie?

Selten so gelacht

Sollte Segas Yakuza-Reihe bisher unter eurem Radar geflogen sein, so könntet ihr womöglich einen dicht gewobenen, von Leid und Missgunst geprägten Racheplot erwarten. Haha, reingefallen! Die Entwickler vom Ryu Ga Gotoku Studio spielen mit euren Emotionen. Macht euch nichts draus, ich bin ihnen genauso auf den Leim gegangen, obwohl mich frühere Yakuza-Auskopplungen eines Besseren belehren sollten. Was folgt, ist kein hochtrabendes Drama mit Mord und Totschlag, sondern ein abgefreaktes Mischwerk, das in unregelmäßigen Abständen zwischen todernst und völlig behämmert wechselt, bis ihr nicht mehr wisst, in welcher Tonart die Storyschreiber auf eurer Gefühlsklaviatur spielen.

Ein Beispiel gefällig? Wie wäre es damit: Ichi überlebt die Kugel geradeso und muss nun heimatlos auf der Straße zurechtkommen. Just als er mit dem genannten Ex-Polizisten und einem anderen Obdachlosen neue Freundschaften schließt, findet er einen Baseballschläger, der im Bürgersteig steckt. Keiner seiner Freunde vermag ihn aus dem Stein zu ziehen, Ichiban schon, was ihn an glückselige Momente seiner Jugend erinnert, als er Dragon Quest spielte. Von dem Moment an sieht er das Leben wie ein Rollenspiel.

Adieu vierte Wand! Mal abgesehen davon, dass die Arthus’sche Mär vom Schwert im Stein mit einem Baseballschläger total bekloppt klingt (im wahrsten Sinne), untergräbt das Spiel jeden noch so ehrlichen gemeinten Versuch, dem Rollenspielkorsett Ernsthaftigkeit abzunehmen, durch reinen Spott und ausgefahrene Ellenbogen.

Piepsige Acht-Bit-Jingles ertönen, wenn ein neues Mitglied der bis zu vier Mann starken Party beitritt. Ichi beeumelt sich darüber, dass Gegnertruppen, denen man sich im Rundenkampf stellt, beim Umschalten zwischen Oberwelt und Kampfarena ihre Gestalt ändern. Ja selbst Angriffsmethoden und Gegnergruppen mutieren mit jeder weiteren Spielstunde zu noch bescheuerteren Einfällen, die den Gehirnen bekiffter Teenager entsprungen sein könnten, nur um zwischenzeitlich den Kontrast zum ernsten Handlungsbogen noch krasser erscheinen zu lassen.

Es geht um Prostitution, um Klan-Rivalitäten und – wie sollte es anders sein – um abgeschnittene Finger. Sidequests geplagter Alltagsbürger loten Ichis Gesinnung aus, werfen sogar Fragen auf, wo die Grenzen zwischen theoretischer Gerechtigkeit und menschlicher Fairness liegen. Erster Stoff mit viel Moral und taffen Rollenspiel-Schlachten, denkt man für eine Weile. Jedenfalls bis zu dem Moment, in dem Ichi über die App auf seinem Handy einen mietbaren Prügel-Sidekick ruft und ihn mit den Worten „ich wähle DICH“ in die die Schlacht schickt. Wenn der Klopper-Kumpan dann wie ein Pokémon auf den Plan tritt und mit Morgenstern-Boxhandschuhen auf Gegner eindrischt, hält man sich den Bauch vor Lachen. Ich hatte zeitweise Bauchkrämpfe, kein Witz.

Und das ist gerade mal der Anfang. Keine Angst, ich werde euch nicht weiter mit Spoilern zudecken, aber ich musste für diesen Text unbedingt ein paar handfeste Beispiele auspacken, die euch klarmachen, wie behämmert und zugleich supergeil Yakuza: Like A Dragon seinen Stoff vermittelt. Es wird mit jeder Stunde immer schräger. Vertraut mir, ihr werdet Dinge erleben, bei denen ihr nur noch kopfschüttelnd vor dem Bildschirm sitzt und euch fragt, wer sich so etwas ausdenkt.

Rundenweise aufs Fressbrett

Der Rollenspiel-Anteil steht dem in nichts nach. Schräge Angriffsmethoden, witzige Tag-Team-Sonderaktionen und ein ausgeklügeltes Skill-System verwandeln die Rundenkämpfe in mehr als nur die nächstbeste Keilerei. Was es gibt? Na alles, was man sich denken kann. Einen Penner, der Feuer spuckt, umstehende Fahrräder herumschleudert oder Krümel auswirft, damit aggressive Tauben den Gegner angreifen? Na klar doch! Super-Soaker-Attacken, Breakdance-Moves , Gitarrenschelle, Torte ins Gesicht, lebende Hummer, die einem die Nase abkneifen … Ja, doch, all das und viel mehr! Ich feiere dieses Spiel dermaßen hart dafür, dass es seine Prügelspiel-Wurzeln nicht vergisst, sich aber zugleich traut, jenen Schwachsinn, der zuvor eher die Erzählung füllte, in das Kampfsystem zu packen.

Wäre ja auch langweilig, wenn nur Fäuste flögen. Dennoch basiert das System auf dem Grundprinzip klassischer J-Rollenspiele. Agiert wird also rundenweise ohne Echtzeit-Element und ohne heruntergekochtes Team-Management. Lediglich ein paar Quicktime-Kommandos, die eure Angriffe verstärken, verhindern, dass euer Interesse im Menügewusel verlorengeht. Ihr dürft zwar auf Wunsch eine Kampfautomatik aktivieren, doch auch diese hält sich an den statistisch dominierten Ablauf mit Rundenzeiten, Stärkewerten, Buffs und Konteraktionen. Selbst ein Blinder mit Krückstock erkennt in der Verquirlung aus klassischem RPG und fantasievollem Blödsinn eine Verwandtschaft mit der Persona-Reihe.

Sind die neuen RPG-Auswüchse Gimmicks? Ja, in gewisser Weise schon. Käme das System auch ohne Nonsens aus? Ja, aber es wäre nur halb so geil, gerade weil die meisten (wenn auch nicht alle) Gegner Menschen sind und keine Tiere, Monster oder Roboter, wie in vielen anderen Genrevertretern. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie tief die Entwickler ihre kleinen Witzchen und albernen Späße vergraben haben, damit der Unterhaltungsfaktor hoch bleibt, und ich werde es auch nicht verraten, weil ich euch etliche Lachflashs gönne.

Seid versichert: Die neue RPG-Ausrichtung hat Hand und Fuß. Sie mag Gimmick-behaftet sein, aber das macht sie nicht strategisch wertlos. Im Gegenteil, die strategische Zuweisung der Kampfhandlung verlangt euch nach dem Welpenschutz der ersten Kapitel einiges an Hirnschmalz ab. Bei häufigen Scheitern liegt es manchmal schlicht an der Zusammensetzung der Party oder an der Waffenwahl. Probieren geht über studieren, wobei sämtliche Ausrüstungsgegenstände der realen Welt entspringen. Knüppel? Zauberstäbe? Ach was, ihr kauft euch im Sex-Shop um die Ecke „Massagestäbe“, Knicklichter, Schuhlöffel und andere Utensilien für den Angriff und craftet daraus kranken Shit.

Der Stil mag ungewöhnlich sein, nur dürft ihr euch beim Konzept nichts vormachen. Ebenso klassisch wie der Rundenkampf gestaltet sich auch das Drumherum. Soll heißen: Wenn mal das Kleingeld für eine Waffe oder einen Rüstungsgegenstand fehlt, ist ausgiebiges Grinden angesagt. Erfahrungspunkte sammeln, Notfallrationen anlegen, die besten Orte für Grindruns finden, Läden suchen, die das beste Equipment verkaufen – der ganze Rattenschwanz eines typischen J-RPGs kommt mit. Nicht gerade leichtes Futter für Genre-Einsteiger.

Abseits der Handlung

Dass Yakuza: Like a Dragon selbst nach dem hundertfünfzigsten Grindbattle unterhaltsam bleibt, liegt am Drumherum. In der frei begehbaren und erstaunlich authentisch wirkenden Innenstadt erwarten euch etliche Beschäftigungsmöglichkeiten abseits der Haupthandlung. Besucht Restaurants und mampft euch durch deren Speisekarte oder legt mal ein Päuschen in einer Spielhalle ein. In solchen legt ihr Hand an diverse alte Sega-Automaten, darunter Fantasy Zone, Space Harrier, Outrun, Virtua Fighter 2 sowie Teil 5, aber auch Kran-Minispiele und Glücksspiel-Automaten. Ich habe im Laufe dieses Tests Virtua Fighter 2 und Outrun durchgespielt! Einfach mal so in der „Freizeit“. Shenmue lässt grüßen.

Oder wie wäre es mit ein paar Minispielen in den Straßen Yokohamas? Zum Beispiel Pseudo-Pac-Man, getarnt als Flaschensammel-Spiel auf einem Fahrrad. Oder habt ihr vielleicht Lust auf eine Runde Mario Kart … äh … ich meine natürlich Dragon Kart? Mit allem, was dazugehört, vom unrealistischen Sprung-Drift über Beschleunigungsstreifen bis zu auflesbaren Extrawaffen in Form von Bazookas und anderem schweren Geschütz, das man in der Realität nie auspacken dürfte.

Erstaunlich, wie viel Mühe in solche Kleinigkeiten gesteckt wurde, die der ein oder andere Spieler womöglich ignoriert, weil der Story-Hauptstrang sich als ausladender Zeitvernichter entpuppt. Auch das ist typisch RPG: ewig lange Gespräche und Story-Ausführungen. Laber Rhabarber, zu Dreivierteln begleitet durch englische Sprachausgabe. Abseits der leicht steifen Gesichter und statisch wirkenden Innenräume vermittelt Yakuza: Like a Dragon das Erzählformat eines überlangen, zeitweise mitreißenden Films. Ich habe einige Male gewagt, Sequenzen zu überspringen, nur um es anschließend zu bereuen, weil dadurch Handlungsdetails verlorengingen.

Mein erstes Mal mit ... - Yakuza: Like A Dragon

Eine neue Ausgabe von "Mein erstes Mal mit ...". Unser neuer Kollege Pirmin darf dieses Mal seine ersten Erfahrungen mit Yakuza: Like A Dragon machen. Da hat er direkt ein SEHR spezielles Spiel vor sich.

Etwas seltsam wirkt dagegen nur die Diskrepanz zwischen dem englischen Voice-Acting und den deutschen Untertiteln, die offenbar aus dem Japanischen übersetzt wurden. An einigen Stellen weichen Details der Erzählung stark voneinander ab. Nichts, was den Plot beeinflusst, aber die japanische Grundlage wirkt in den Drama-Phasen um einiges persönlicher und besser ausgearbeitet.

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