Länderauswahl:
Du wurdest von unserer Mobile-Seite hierher weitergeleitet.

Special - Die Versmartphonung des Videospielmarkts : Identitätsverlust im Konsolenlager

    Von  |  |  | Kommentieren

    Ob die Konsolenkundschaft indes die in der Computer- und Smartphone-Welt übliche Vorgehensweise annimmt, das steht auf einem anderen Blatt. Denn PlayStation & Co. verführen bereits aus der Tradition heraus zu mehr Systemidentifikation als der seit jeher anonyme und profillose PC. Wer sich dafür entscheidet, sich ein Gerät extra fürs Spielen anzuschaffen, der signalisiert dadurch bereits seine Zugehörigkeit zu einem Nischenpublikum: Gamer verbringen unfassbar viel Zeit vor dem System ihrer Wahl.

    Das verbindet nicht nur – es geht obendrein mit der Erkenntnis einher, dass eine Konsole eben doch mehr ist als nur die Summe ihrer Einzelteile. Das wird so ziemlich jeder bestätigen können, der beispielsweise einen Nintendo-Klassiker wie Super Metroid auf der Wii U gespielt hat: Die Emulationen, die uns der Mario-Hersteller mit seiner Virtual Console anbietet, sind nahezu perfekt und kommen dem Originalerlebnis näher als ein aus dem Netz gesaugtes ROM. Aber wer die horizontale Alien-Hatz von Kopfgeldjägerin Samus so erleben möchte wie früher, der kommt nicht umhin, Modul und Konsole auszubuddeln.

    Und siehe da: Auf einmal erstrahlt die Jugend- oder Kindheitsliebe in – zumindest nahezu – voller Pixelpracht. Und das, obwohl sich beide Versionen auf den Bildpunkt gleichen und Nintendos Virtual-Console-Umgebung sogar auf Authentizität gebürsteten Schnickschnack wie einen Scanline-Filter für moderne Fernsehgeräte bietet. Schon hat er einen erwischt, der Retrovirus. HATSCHI!!!

    Der Keksdosenzock

    Mag sein, dass wir uns in den kommenden Jahren daran gewöhnen, auch konsolenseitig mit Geräten zu spielen, die ungefähr so viel Profil haben wie eine Keksdose. Mag auch sein, dass Tim Sweeney Recht behält und die Verabschiedung der althergebrachten Hardware-Zyklen dem Markt guttut. Allerdings wäre das unwiederbringlich der Todesstoß für den Konsolenmarkt, wie ich ihn kennen und lieben gelernt habe – und damit der Abschied von einem wichtigen Stück Gamer-Kultur.

    Noch hoffe ich darauf, dass wenigstens Nintendo mit seinem Projekt NX das Konsolen-Feeling erfolgreich rettet und damit für eine ganze Spielergeneration bewahrt, die gerade erst an das Hobby herangeführt wird. Doch der Erfolg von Pokémon GO ebenso wie der Widerwille des Herstellers, ein technisch konkurrenzfähiges System zu veröffentlichen, schmälert diese Hoffnung ziemlich: Tradition verpflichtet zwar, aber letztlich geht es vor allem um die Bilanz.

    Darum vermute ich hinter NX nicht in erster Linie eine Konsole, sondern vielmehr ein Konzept: Das mag vielleicht um einen neuen stationären, konsolenähnlichen Hub herum konstruiert sein – quasi als Herzstück des Gesamtprogramms –, aber meiner Einschätzung nach wird es vor allem um Konnektitivät gehen. Darum, dass die Spiele des Herstellers überall und auf nahezu jedem Gerät erlebt werden können. Nintendos Variante von Microsofts "Play-Anywhere"-Rezept – vielleicht sogar voll funktionstüchtig, bevor man bei Microsoft so richtig damit durchstartet?

    Das sind einerseits spannende Aussichten, doch andererseits dürften auch sie dazu beitragen, dass alle Plattformen zu einer grauen Masse verschwimmen, aus der nur noch vereinzelte Identifikationsmerkmale herausragen, wie zum Beispiel die letzten Exklusivmarken der Hardware-Hersteller. Fragt sich nur, wie lange diese letzte Möglichkeit, Spieler in ein bestimmtes Lager zu locken, noch funktionieren wird – vor allem wenn man den Kunden immer mehr dazu erzieht, diese Lager nicht mehr voneinander unterscheiden zu können.

    ---

    Der Autor

    Robert Bannert – Spielstart 1974 in Köln, Game over irgendwann ab 2016 in einer verwahrlosten Zockerhöhle im ländlich-bayerischen Mering – ist bekennender Rollenspielfanatiker, verbohrter Singleplayer und Technologie- beziehungsweise Informationsfreak. Er streichelt gerne sein Super Nintendo, flucht wie ein Rohrspatz über das Provinz-Internet und wird von den meisten Japano-Fans gehasst, weil er Shadow of the Colossus eine 70er-Wertung verpasst hat. Abgesehen von einem zweijährigen Gastspiel als deutscher Oddworld-Abe bei GT Interactive ist Robert seit über 20 Jahren als Spiele-Journalist und Zeitschriftengrafiker aktiv, Karrierestart war die MAN!AC-Redaktion. Heute gibt er unter anderem das Indie-Magazin "elektrospieler" heraus und schreibt für die Business-Publikation IGM.

    Kommentarezum Artikel