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Test - The Invincible : Test: Traumhaft schöner Planeten-Spaziergang nach Stanislaw Lem

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Es ist schon eigenartig, wie der Zufall manchmal spielt. Während Spiele basierend auf Filmen und großen Franchise-Universen wie Star Wars und Herr der Ringe beileibe keine Seltenheit sind, erblicken Umsetzungen von literarischen Vorlagen nur höchst vereinzelt das Licht der Welt. Doch nun erscheint nur wenige Tage nach dem VR-Adventure Journey to Foundation (Test) nach Isaac Asimovs Roman-Trilogie ein weiteres Videospiel, das sich einen Klassiker der Science-Fiction-Literatur zum Vorbild nimmt: Der Unbesiegbare (The Invincible) von Stanislaw Lem.

In der Rolle der Astrobiologin Yasna erwacht ihr zu Beginn des Spiels auf dem fremden, unwirtlichen Wüstenplaneten Regis III. Zwar wisst ihr noch, dass ihr euch auf einer Forschungsmission zur Erkundung unbekannter Planeten befandet, doch fehlt euch jedwede Erinnerung an die letzten Tage: an die Landung, die Erforschung der außerirdischen Flora und vor allem daran, wieso ihr fernab des Basislagers euer Bewusstsein verloren habt. Keines eurer Teammitglieder reagiert auf eure Hilferufe über Funk, eure Ausrüstung ist stark beschädigt. Nur eines scheint sicher: Irgendetwas ist schrecklich schiefgelaufen.

Schon bald erreicht Yasna das Lager, doch findet sie dort die eine Hälfte ihres Teams tot vor, die andere Hälfte ohne Verstand. Nur der Kapitän der Mission, der auf dem Mutterschiff im Orbit zurückblieb, ist über Funk erreichbar und steht euch im Folgenden aus der Ferne zur Seite. Auf der Suche nach einem letzten, vermissten Besatzungsmitglied macht sich Yasna auf den beschwerlichen Weg, die Geheimnisse des Planeten zu ergründen und einen Weg nach Hause zu finden.

Zu allem Überfluss hat offenbar auch die Allianz, quasi eine feindliche, intergalaktische Supermacht, ihr Interesse an Regis III entdeckt und eine eigene Expedition entsandt. Gerüchte über den „Unbesiegbaren“, das neue Flaggschiff der Allianz mit einer angeblichen Feuerkraft, vergleichbar dem Todesstern, machen bereits seit einer Weile die Runde im Commonwealth, der anderen Supermacht, der auch Yasna angehört. Könnte die unerwartete Sichtung dieses Schlachtschiffes in der Nähe mit den rätselhaften Vorfällen zu tun haben? Testet die Allianz in der Abgeschiedenheit des Weltalls hier neue Hightech-Waffen für einen bevorstehenden galaktischen Eroberungsfeldzug? Oder birgt der Planet selbst ein düsteres Geheimnis, das jenseits menschlicher Vorstellung liegt?

Basierend auf Der Unbesiegbare von Stanislaw Lem

Die Romanvorlage „Der Unbesiegbare“ des polnischen Science-Fiction-Autors Stanislaw Lem erschien bereits im Jahr 1964 und zählt damit zu den Klassikern der „goldenen Ära“ des Genres, die ansonsten vor allem von US-amerikanischen Autoren wie Isaac Asimov, Philipp K. Dick oder Arthur C. Clarke geprägt wurde. Entsprechend der Epoche seiner Entstehung ist auch die Handlung der Spielumsetzung durchdrungen von Themen des damaligen Zeitgeschehens vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, dessen Ringen der Supermächte um die Vorherrschaft auf unserem Planeten Lem in die ferne Zukunft und die Tiefen des Alls fortschrieb. Wenngleich die Geschichte des Spiels in ihrem Ablauf bis hin zu den auftretenden Personen und sogar der Hauptfigur stark von der Buchvorlage abweicht, blieben die polnischen Entwickler von Starward Industries den darin verhandelten Themen und der Vision Lems eng verhaftet.

Stanislaw Lem geht darin einer Frage nach, die etliche Science-Fiction-Autoren der damaligen Zeit umtrieb und sich vor allem auch wie ein roter Faden durch sein eigenes Werk zieht: der Frage, ob außerirdisches Leben nicht auch vollkommen und grundsätzlich anders aussehen könnte als das uns bekannte auf der Erde – also so weit wie möglich entfernt gedacht von den „kleinen grünen Männchen“, wie man sie sich damals vorstellte, bis hin zu den humanoiden Aliens in heutigen Sci-Fi-Serien, in denen die Andersartigkeit lediglich durch aufgeklebte Ohren, Nasen und Stirnrunzeln behelfsmäßig hergestellt wird. Schon in seinem - hierzulande vermutlich deutlich bekannterem - Roman „Solaris“ philosophierte Lem über alternative Konzepte von Bewusstsein, das dem menschlichen unergründlich fremd scheint und die Ausmaße eines ganzen Planeten einnimmt.

Wer noch nie ein Sterbenswörtchen von der Romanvorlage gehört hat, der möge an dieser Stelle erwägen, den gleich folgenden Absatz zu überspringen, wenngleich er keine Spoiler enthält, die nicht schon jeder Klappentext des Buches verrät. Da das Spiel das zentrale Thema des Romans aber dennoch als eine Art Auflösung inszeniert, ließe sich so eine dezente Überraschung erhalten, die im Grunde aber keine ist.

In Der Unbesiegbare geht es Stanislaw Lem jedenfalls um ein Nachdenken um völlig andersartige Lebensformen, die im Gegensatz zu allem uns bekannten nicht organischer Natur auf Basis von Kohlenstoff und Aminosäuren ist, sondern gänzlich anderen Ursprungs. Damit einher geht es ihm um die Vorstellung einer Form von Bewusstsein, die Lem damals als einer der ersten für denkbar hielt und die man heute als Schwarmintelligenz bezeichnen würde.

Walking-Simulator durch ein traumhaft schönes Sci-Fi-Buch

Spielerisch ließe sich The Invincible mit etwas gutem Willen als Adventure bezeichnen, im Kern handelt es sich aber um einen Walking-Simulator. Ganz eindeutig stand für die Entwickler das Vermitteln der Geschichte im Vordergrund, statt Rätsel und Herausforderung. Die meiste, nein, vielmehr die ganze Zeit der etwa sieben Stunden Spieldauer folgt ihr dem recht geradlinig konzipierten Weg über den Planeten, unterhaltet euch derweil mit eurem Missionsleiter über Funk und müsst ansonsten allenfalls mal ein paar Knöpfe drücken, um den Planeten-Rover zu starten, oder mit einem Peilsender den Ursprung eines Funksignals aufspüren. The Invincible ist in diesem Sinne weniger Videospiel, nicht mal ein interaktiver Film, denn Entscheidungen werden auch nur höchst vereinzelt getroffen, sondern eine Art begehbares Buch.

Ein traumhaft schönes Buch wohlgemerkt. Mit welch verschwenderischer Detailfülle die Entwickler von Starward Industries diesen fremden Planeten zum Leben erwecken, ist schlicht atemberaubend und einer solch verhältnismäßig kleinen Indieproduktion eigentlich kaum zuzutrauen. Regelmäßig kann man gar nicht anders als innezuhalten und die Aussicht auf diesen faszinierenden Planeten zu bewundern mit seinen weiten Dünenebenen, den schroffen Felsformationen und dem monströsen Ausgrabungsgerät, das eine frühere Expedition hier zurückließ.

Da ist jeder kleine Kratzer im Lack der Wandverkleidung zu erkennen und jedes Staubkorn auf der Windschutzscheibe. Wenn dann noch die Sonne durch den aufgewirbelten Sand bricht und ein bizarres Farbenspiel im gläsernen Visier des Helms eures Raumanzuges malt, bleibt einem schlicht die Spucke weg. Grafisch nimmt es The Invincible locker mit jeder aktuellen Großproduktion auf und zählt zumindest in dieser Hinsicht zu einem der beeindruckendsten Spiele des Jahres.

Vor allem auch, weil die Entwickler im Design der futuristischen Maschinen, Armaturen und Vehikel auf kongeniale Weise der Entstehungszeit des Romans Tribut zollen, indem sie nicht den aktuellen, sondern den Stand der Technik der 60er Jahre in die Zukunft projizieren und darin der Ästhetik damaliger Science-Fiction-Literatur und ihrer Buchcover nacheifern. Da gibt es keine schicken, bunten Touchscreens und durchsichtige Hologramm-Bildschirme, kein antiseptisches, weißes Apple-Design und keine sprachgesteuerten Bordcomputer.

Planetenerkundung mit Gefahren - Video-Preview zu The Invincible

Wir konnten rund eine Stunde mit dem narrativen Adventure The Invincible verbringen. Was wir auf dem wüstenähnlichen Planeten Regis III erlebt haben, seht ihr in dieser Vorschau.

Stattdessen Kippschalter und klobige Hebel, Messgeräte mit analogen Zeigern, große rote Kontrolllampen und Roboter aus metallenen Scharnieren, Schrauben und Zahnrädern. Die Brücke eines Raumschiffes in The Invincible erinnert eher an das Kontrollzentrum im Kernreaktor von Tschernobyl, und ein Aufenthaltsraum in der Raumbasis weckt mit seinen schrillen orangenen und braunen Farbtönen Erinnerungen an hippes Designermobiliar aus den Swinging Sixties. Überwachungsdrohnen zeichnen ihre Daten nicht als Videos auf digitalen Datenträgern auf, sondern fertigen alle paar Stunden papierne Fotografien an, und die Raumschiffe und Transportfahrzeuge funkeln und blitzen im stromlinienförmigen Chrom der damaligen Straßenkreuzer und Propellerflugzeuge.

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The Invincible ist dadurch vor allem ein Spiel für Fans klassischer Science-Fiction-Literatur, den darin diskutierten Zukunftsvisionen vor dem Hintergrund damaligen Zeitgeschehens und den heute als retro-futuristisch wahrgenommenen Designentwürfen. Allen anderen dürfte das recht unspektakuläre Geschehen zwischenzeitlich reichlich langatmig und sicher auch langweilig vorkommen, eben weil man über weite Strecken nur herumläuft, währenddessen nicht gerade viel passiert und auch die Wendungen und Auflösungen aus heutiger Sicht weniger originell erscheinen als noch in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, zumal sie in der Zwischenzeit so häufig von Film und Fernsehen aufgegriffen und kopiert wurden, dass sie einem mittlerweile sehr vertraut sind und dadurch auch weitgehend vorhersehbar ausfallen.

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