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Test - Tunic : Zelda, Dark Souls, und was sonst noch so reinpasst

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Kaum zu glauben: Andrew Shouldice hat das Action-Adventure Tunic, das derzeit Microsoft-exklusiv im Game Pass erhältlich ist, nahezu im Alleingang entwickelt. Zwar hatte er ein paar Freischaffende an seiner Seite, die ihm halfen, die schiere Masse an Spielinhalt zu stemmen. Dem Schöpfer dieses Indie-Meisterwerks, Genialität oder Leistung abzusprechen, wäre trotzdem ungerecht. Tunic ist schon jetzt eines der besten Action-Adventures des Jahres und sollte mit Lorbeeren überhäuft werden.

Wie einfach schreiben sich solche Zeilen: Schöpfer X vermengt Zelda mit Spielelementen aus Dark Souls. Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht. In der Realität verlangt solch eine Verschmelzung eine große Portion Erfahrung, Feingefühl und viel Geduld beim Abwiegen des Schwierigkeitsgrads. Nach mehr als zwei Wochen im Microsoft Game Pass und etlichen viralen Empfehlungen ist es kein Geheimnis mehr: Andrew Shouldice gelang dieser Balanceakt hervorragend.

Aber was hebt Tunic von anderen Indie-Games ab? Gibt es solcherlei Action-Adventures nicht wie Sand am Meer? Oder Indie-Soulslikes? Ja, und ich will einigen durchaus gelungenen Vertretern dieser Sparte keinesfalls ihre Qualität absprechen, etwa das sehr ähnliche Death's Door. Ich möchte lediglich betonen, dass wenige Indie-Spiele ihr Konzept so ausgefeilt präsentieren wie Tunic. Wie universell muss ein 15-Stunden-Spiel seinen Stoff vermitteln, das jede Aufgabe beinahe wortlos stellt? Wie fair muss es sein, um seinen Anspruch in schwindelerregende Höhen zu schrauben, ohne Frust zu erzeugen? Wie charmant muss es sein, um technisch vereinfachte Grafik als visuelles Erlebnis zu inszenieren? Tunic beantwortet all diese Fragen.

Wie vor 30 Jahren

Ich bin mir sicher, dass wenige Sekunden Betrachtung eines Screenshots ausreichen, um den groben Ablauf des Spiels richtig einzuschätzen. Tunic gleicht dem Zelda von anno dazumal. Zwar dreidimensional visualisiert und in einer Perspektive, die eher an Klassiker wie Snake Rattle n‘ Roll oder Landstalker erinnert, aber doch ziemlich eindeutig Zelda-esque angesichts der Proportionen von Held und Umgebung. Der erste Eindruck täuscht nicht, denn auch der Spielstart bedient die traditionellen Zelda-Werte. Es braucht keine ausladende Einleitung, keiner Vorstellung von Freund und Feind. Man wird an einem Strand in einer wildfremden Landschaft ausgesetzt, und schon geht es los.

Erkunden, erste Waffen finden, Monster metzeln. Action-Adventure in Reinkultur, präsentiert in einem herrlich knuffigen, farbenfrohen Grafikstil, bei dem Gräser und Büsche nicht nur simplen geometrischen Strukturen unterliegen, sondern auch beim Umsäbeln das Gefühl hinterlassen, sie bestünden aus Schaumstoff. Umso gegensätzlicher wirken Spezialeffekte, die ein mystisches Leuchten oder magische Angriffe visualisieren, denn die greifen auf filigrane Shader-Einstellungen zurück. Ein ziemlich eigener, wenn auch sehr stylischer Anstrich. Warme Synthie-Klänge, die kompositorisch wie akustisch einem Mix aus Donkey Kong Countrys 16-Bit-Unterwasserwelt und den ruhigeren Passagen aus Secret of Mana entstammen könnten, schaffen derweil dichte Atmosphäre. Irgendwie fühlt sich alles vertraut an.

Das Schöne an diesem Konzept ist, dass Tunic viele Dinge vermengt, die längst aus der Mode gekommen sind, und gerade dadurch an Sympathie gewinnt. Es ist beispielsweise über ein Jahrzehnt her, seitdem ich zuletzt eine echte Anleitung für ein Videospiel lesen durfte, und obwohl Tunic angesichts seines fehlenden physischen Datenträgers keine Anleitung aus Papier mitliefern kann, gewährt es doch dieses Vergnügen. Denn während ich meine Hauptfigur – einen niedlichen Fuchs – in isometrischer Drei-Viertel-Perspektive durch Wälder und Felder eines märchenhaften Landstrichs führe, bekomme ich keinen einzigen lesbaren Hinweis. Jedes Schild oder sonstige Hinweistafel wurde in einer fremden Fantasie-Schrift verfasst, die zwar auf Regeln, Orte und Waffen hinweist, mich als Spieler jedoch im Argen lässt.

Was ich aber finden kann, sind einzelne Seiten eines Spielanleitungs-Heftchens, wie man es aus dem 8-Bit-Zeitalter kennt. Auch bei diesem ist die Schrift nicht entzifferbar. Aber wenn man die zugehörigen Piktogramme aufmerksam betrachtet, lernt man alles, was man wissen muss. Etwa das Layout von Dungeons, einen groben Umriss der Oberwelt oder Strategien, die beim Bezwingen eines Obermotzes helfen. Allem voran aber, wie man sich verteidigt, wie man sich heilt, und wie man einen Purzelbaum schlägt, der für einige Sekundenbruchteile Unverwundbarkeit garantiert.

Den kleinen, überaus niedlichen Fuchs durch das Abenteuer zu bringen, fußt anfangs also auf Selbstverständlichkeiten, die in die DNA der Videospielkultur eingebrannt sind und instinktiv an die Oberfläche kommen. Gegend erkunden, ein Schwert finden, Dungeons öffnen, Bosse plätten. Klingt spaßig und ist selbsterklärend.

Soulsborne durch die Hintertür

Schonmal ein guter Anfang, aber „business as usual“? Auf gar keinen Fall. Mag die Grafik noch so niedlich sein und das Spielgerüst klassisch zeldarianisch, das Blatt wendet sich schon innerhalb der ersten Spielstunde, wenn man erkennt, auf welche falsche Fährte der niedliche Grafikstil führt. Einerseits verweigert sich Tunic der Zelda-typischen „ein-Item-je-Dungeon“-Formel. Werkzeuge wie etwa ein Enterhaken dienen zwar der Progression, eilen aber nie einem linearen Lösungsweg voraus. Vielmehr öffnen sie die Welt an mehreren Stellen wie bei einem Metroidvania.

Zum anderen entpuppt sich Geschicklichkeit als ein unglaublich wichtiger Faktor. Spätestens bei den ersten größeren Gegnern zog es mir die Hose über den Bauchnabel, denn Tunic ist atmosphärisch, logisch aufgebaut und fair, aber auch verdammt schwer. Nicht zum Haareausreißen schwer, aber definitiv zu schwer für Gelegenheitsspieler.

Der oben erwähnte Purzelbaum samt kurzer Unverwundbarkeitsphase schützte mein Allerheiligstes wie bei Adam das Feigenblatt. Ohne ihn wäre ich schon in der ersten Spielstunde bei etlichen Gelegenheiten an vermeintlich simplen Feldgegnern gescheitert, denn selbst wenn man mal Schwert und Schild gut genug beherrscht, um nach eigenen Angriffen zu parieren, sind die Zeitfenster für solche Aktionen verdammt klein. Ein Mal im falschen Moment zugehauen, steht der Held in der Gegend wie eine wehrlose Zielscheibe. Klingt krass? Ja, ist es, und ich hab dabei noch kein einziges Wort über die teils riesigen Bosse verloren, deren schier endlosen Lebensleisten Durchhaltevermögen und Geschick strapazieren.

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Wenn man der Versuchung widerstehen kann, den Ausdauerbalken (von dem der Purzelbaum abhängt) zu deaktivieren – also das Spiel erheblich zu erleichtern – mutiert Tunic zu einer Herausforderung, die der Erfahrung alter NES-Spiele ähnelt, zugleich aber Soulsborne-Regeln ehrt. Prominent wäre da etwa das Speichersytem, denn den Spielstand kann man nur an spärlich verteilten Statuen festhalten. Speichern bringt allerdings sämtliche Gegner, die man zuvor mühsam beseitigt hatte, zurück in die Spielwelt. Auch bleibt nach dem Ableben ein Überrest zurück, den man im nächsten Anlauf wieder einsammeln kann, wenn auch nur zugunsten eines vollen Geldbeutels, der nicht nur beim Einkaufen wichtiger Hilfsmittel unabdinglich ist, sondern auch beim Aufleveln der eigenen Statuswerte.

Zelda mit einer Prise Dark Souls - Video-Review zu Tunic

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Was Andrew Shouldice in Tunic zusammengebastelt hat, ist ein Puzzle aus mehreren spielerischen Ebenen, zusammengesetzt aus modernen und ausgedienten Spielelementen, deren gemeinschaftliche Geschmacksnote weitab vom Mainstream rangiert. Backtracking mag verpönt sein, offeriert jedoch Spielfläche für Narrenfreiheit bei den Puzzles. Nicht selten läuft man an Türen und Einrichtungen vorbei, deren Sinn man ums Verrecken nicht erkennt. Sie bleiben im Hinterkopf bis zu jenem Moment, an dem man an denselben Ort zurückkehrt und einem die Lösung dann wie Schuppen von den Augen fällt.

Das betrifft leider nicht nur vom Schöpfer eingeplante Puzzles. Auch die Iso-Ansicht steht der Lösung mancher Aufgabe im Weg, weil Tunnel und Leitern gelegentlich verdeckt werden. Das verleitet zwar dazu, jeden Winkel der Spielfläche abzusuchen, strapaziert aber bisweilen die Geduld beim Abklappern komplexerer Spielabschnitte. Zumal auch die Kameraperspektive als solche verwirren kann. Beispielsweise wenn man ein Gebäude umkreist, wodurch der Held nur noch als Umriss eingeblendet wird, oder beim Erklimmen eines Turms, der die Kamera in Intervallen zum Hinterherschleichen bringt, damit der kleine Fuchs im Fokus bleibt.

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