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Test - The Inquisitor : Test: Düsteres Mittelalter-Abenteuer, das sich selbst Witcher Geralt schönsaufen muss

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Eine offen zu erkundende Welt, abwechslungsreiche Spielmechaniken von Schleichen bis Kämpfen, Tag-Nacht-Wechsel und sogar Missionen in sphärischen alternativen Welten inklusive einer Gebetsenergie-Mechanik, um einem mysteriösen Bösen auf die Schliche zu kommen und eine sich entfaltende Totschlag-und-Mord-Reihe zumindest abzubremsen: The Inquisitor betritt die Spiel-Welt eigentlich mit guten Voraussetzungen, um Freundinnen und Freunde der ungepflegten Unterhaltung zu begeistern. Allein, die Ausführung lässt sich auch mit kübelweise Hostienwein nicht schöntrinken.

Kommen wir direkt zum auffallendsten Punkt an Inquisitor: der Grafik. Die alte Schule der Spieletests schreibt ja vor, zunächst einen allgemeinen Überblick zu geben und dann mechanische und technische Details aufzulisten, aber dieser Fall rechtfertigt, ja erzwingt eine Abkehr davon. Denn was auch immer das Produkt sonst an Qualitäten hätte, seine Inszenierung ist dermaßen unzeitgemäß und streckenweise unfreiwillig komisch, dass auch hartgesottene Innere-Werte-Prediger vom Glauben abfallen werden.

Der Verfasser dieser Zeilen gilt allgemein als nachsichtig mit derartigen Punkten, hat die ungelenke Mimik eines Elex 2 vorletztes Jahr ebenso verziehen wie die detailarmen Charaktermodelle in Fahrenheit vor knapp zwei Jahrzehnten. Bei The Inquisitor ist das einfach nicht möglich – sämtliche Menschendarstellungen und -animationen im Spiel laufen auf derart groteske Weise ab, dass sie immer wieder ablenken und aus der Atmosphäre reißen. Ob gestikulierende Händler, tanzende Sexarbeiterinnen oder auch unser Charakter – all das ist auf eine Weise veraltet und schlichtweg hässlich, die völlig verwundert.

Es überrascht noch mehr, da das Entwicklerteam von Dust ja hätte entscheiden können, in der mittelalterlichen Spielstadt eine Pest oder einen Schneesturm wüten zu lassen, damit die Straßen leer sind und die knappen Ressourcen für die Darstellung von Menschen auf wenige und dafür besser ausgestaltete Personen beschränkt werden. So ähnelt die Bevölkerung von Königstein den Kulissen einer 3D-Jahrmarktattraktion in einer Intensität, die jede Immersion unmöglich macht.

Ich wartete des Guten, und kommt das Böse

Aber wieso sind wir überhaupt in Königstein und wer sind wir und was machen wir hier? Unsere Spielfigur ist Mordimer Madderdin, ein Inquisitor „im Namen des Bischofs von Hez-Hezron“, und wurde entsandt, um 1533 in Königstein nach einem Vampir zu suchen und sich diesem zu entledigen.

The Inquisitor basiert auf der gleichnamigen Roman-Reihe von Jacek Piekara, die noch nicht aus dem Polnischen übersetzt wurde. Die Spielwelt ließe sich wohlwollend mit „erwachsen“ und „dreckig“ beschreiben, zu Beginn warnt ein Bildschirm, dass das Nachfolgende nichts für Zartbesaitete sei. Die Einschätzung hierzu bleibt natürlich hochgradig subjektiv, aber viele Elemente des Spiels und der Sprache gehen ins Voyeuristische und setzen ohne viel Substanz auf übertriebenen Schockwert, wie ein Achtjähriger, der sich freut, die Tischgesellschaft unangenehm starren zu lassen. Hinrichtungen, Folter, moralische Verkommenheit sowie sexuelle Handlungen bestimmen den Alltag.

Das eigentliche Spiel besteht dabei – trotz der formal offenen Spielwelt weitestgehend linear – daraus, mit Schlüsselpersonen der Stadt zu sprechen und (Tat-)Orte abzusuchen, um der sich entfaltenden Mord- und Intrigenserie Herr zu werden. Würde die Grafik nicht sämtliche Bewertungsrahmen sprengen, käme jetzt die größte Einschränkung: Das ist spielerisch ganz schön dünn. Trotz des rudimentären Schnellreise-Systems bildet Rumlaufen einen Großteil der tatsächlichen Aktivität, ab und an unterbrochen von Quicktime-Events und sehr einfachen Kampfszenen.

Ich hoffte aufs Licht, und kommt Finsternis (Hiob 30:26)

Lediglich die ab und an auftauchenden Passagen in der Unwelt könnten ein Potenzial für mehr Spannung in sich tragen. Wann immer Mordimer eine Vision braucht, etwa um eine Aussage zu hinterfragen oder bei einem Mord zu wissen, was wirklich passiert ist, sammelt er hier deren Bestandteile zusammen – muss dabei aber aufpassen, vom „Ater“, einem riesigen schwebenden Tentakel-Biest, und seinen Schergen nicht gesehen und getötet zu werden.

Die grafische Inszenierung hier überzeugt durchaus, wenn zum Beispiel Steine direkt vor unseren Füßen in die Luft steigen und sich zu einer Brücke formen. Dass Landschaft und Lichtstimmung insgesamt durchaus kompetent in Szene gesetzt wurden, vergrößert aber den Ärger über die sonstige Grafik umso mehr.

Allein: Keines dieser Spielelemente unterhält nachhaltig, und zwischen ihnen liegen gähnende Spaziergänge und Dialogpassagen, teilweise in der besonders böswilligen Variante „Gesprächspartner bewegt sich permanent und hört ab zwei Meter Entfernung auf zu reden“. Dass die Vertonung auf Englisch wie auch auf Deutsch bestenfalls mittelprächtig ausfällt inklusive offensichtlich unpassend ruhig gelesenen Sätzen nach dramatischen Szenen, hilft auch nicht.

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Steigerbare Fähigkeiten, ein aktiv verwaltetes Inventar oder auch nur nennenswerte Aufgaben dagegen warten nicht auf Mordimer. Dafür darf die Instanz des Bischofs auch oft moralische Entscheidungen treffen. Den Händler, der uns belogen hat – ab ins Verließ, um das sich natürlich düstere Gerüchte ranken, oder nur mit einer strengen Verwarnung davon? Die jugendliche Diebin, der vielleicht unschuldige Bettler in der Nähe eines Tatorts, Mordimer kann über Schicksalsverläufe entscheiden ebenso wie über die Begrüßung gegenüber dem Kardinal, natürlich mit einigen Auswirkungen auf den weiteren Handlungsverlauf.

The Inquisitor - Gameplay-Trailer von der gamescom 2023

Kalypso Media und The Dust S.A. geben mit einem neuen Gameplay-Trailer erstmals einen tieferen Einblick in das Dark Fantasy Adventure The Inquisitor. Basierend auf einer alternativen, religiösen Realität, lädt das story-orientierte Abenteuer euch ein, euch auf den gefährlichen Pfad Mordimer Madderdins zu begeben und in eine Welt voller Gewalt, Geheimnisse und Sünde einzutauchen.

Wie der Name „Inquisitor“ vermuten lässt, tritt Mordimer nicht als Mittelalteräquivalent eines Gitarre-und-Federball-Jugendpriesters auf, sondern als Vertreter eines harten, ungnädigen alttestamentarischen Christentums. Finsterste USK-18-Bibelzitate und ein Stoßgebet Mordimers, bitte nicht die „Sünde der Barmherzigkeit“ zu begehen, unterstreichen diese Stimmung.

Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge (1 Petrus 4:7)

Früh im Spiel zeichnet ein Jahrmarkt-Puppenspiel einen Jesus, der vom Kreuz herabstieg, um römischen Legionär und Kaiser mit dem Schwert zu erledigen. Weil hier ausnahmsweise eben nur Requisiten zum Einsatz kommen, funktioniert die Szene einigermaßen. Doch sobald sie vorbei ist und wir uns wieder frei in der Stadt bewegen, verfliegt jede Immersion und man wähnt sich beinahe in einer unveröffentlichten Monty-Python-Sequenz - symptomatisch für das ganze Spielerlebnis seit der Ankunft Mordimers im Hafen. Was auch immer für eine Faszination die Buchvorlage möglicherweise versprüht, Mordimer als Spielfigur sollte sich besser etwas Proviant in die nächste Beichtstuhl-Sitzung mitnehmen.

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