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Test - Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 : Immer noch so gut wie 1999

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Wenn ihr dieses Spiel noch im Original kennt, dann seid ihr keine Kinder oder Teenies mehr. Womöglich habt ihr längst eigene Sprösslinge und weint ein wenig den Tagen nach, in denen ihr sorglos zocken konntet. Der Nostalgieschmerz wird mit der Remaster-Adaption Tony Hawks Pro Skater 1 + 2 noch einschneidender, denn Vicarious Visions beweist, wie wenig euch eure Erinnerungen trügen.

Im Kino liefen Matrix und Star Wars: Episode 1, der gefürchtete Millennium-Bug war in aller Munde, die Love Parade das Event schlechthin und die Playstation trotz ihres gehobenen Alters die Konsole, die man haben musste. 1999 war ein bemerkenswertes Jahr, und ich fühlte mich mit meinen damals 22 Lenzen noch einigermaßen sorgenfrei. Okay, nicht wirklich, aber zumindest so sorglos, dass ich es mir gegen Ende September leisten konnte, mit meinen Freunden tagelang auf dem Sofa zu gammeln.

In unserer Runde kreiste das Joypad im Uhrzeigersinn, auf dass jeder Anwesende sein Glück in zwei Minuten Tony Hawk‘s Skateboarding versuchte. Unter diesem Namen kannte man Tony Hawk‘s Pro Skater in Europa. High-Score-Battles im Freundeskreis waren das Geilste überhaupt.

Mein Gott, was haben wir damit Zeit verplempert. Wir hätten die Umwelt säubern, Krebs heilen, Pi bis zur letzten Stelle ausrechnen oder die Wale retten können. Aber nein, wir übertrumpften uns in sechsstelligen Punktzahlen, die wir mithilfe irrwitziger Joypad-Akrobatik aus dem Hut zauberten. So wie heutige Kids Fortnite-Festungen in einer Geschwindigkeit bauen, die Erwachsene kaum nachvollziehen können, ließen wir unsere Daumen auf den Playstation-Bedienelementen tanzen, ohne darüber nachdenken zu müssen. Sie schossen uns reflexartig aus den Händen.

21 Jahre später

Wenn ich heute Tony Hawks Pro Skater 1 + 2 einlege, komme ich mir vor wie ein Kriegsveteran mit lebhaften Flashbacks. Ich kenne noch immer jeden Winkel der virtuellen Skaterparks und meine Hände möchten mit derselben Selbstverständlichkeit Tricks aus dem Joypad kitzeln wie vor 21 Jahren. Aber jedes Mal, wenn ich damit anfange, dauert es etwa fünfzehn Minuten, bis ich wieder halbwegs denselben Flow finde. Es wird wohl nie mehr so gut funktionieren wie früher.

Ob das an der Umsetzung der Spielmechanik liegt? Nein, überhaupt nicht. Um ganz sicherzugehen, habe ich das Original noch einmal zwecks direkten Vergleichs eingelegt. Es gibt ein paar Unterschiede im Spielablauf, doch sind sie minimal und keineswegs ausschlaggebend. Hier und da wurden den Skater-Legenden neue Tricks zugewiesen und andere Stärken verpasst. Rune Gliffberg verwendet beispielsweise nicht mehr den „Christ Air“-Move als Special, auch wenn er noch immer in seinem Repertoire ist. Balance-Tricks auf dem Boden – sogenannte Manuals – hielten erst in THPS2 Einzug, dürfen in der Neuauflage aber auch im ersten Teil ausgeführt werden. Sofern man das will, denn Puristen steht es frei, die Trickliste über eine einfache Menü-Option auf den Originalumfang zu beschränken.

Abseits ein paar Erweiterungen (die mitunter sogar aus THPS3 stammen) ist der Rest genau so wie anno dazumal. Vicarious Visions beging nicht den Fehler, der das letzte Pseudo-Remake auf der Xbox 360 und der PS3 aus der Bahn warf. Das neue Remake wurde nicht neu geschrieben und umgestaltet, sondern um den Original-Code von Neversoft herumgestrickt, damit Spielgefühl und Geschwindigkeit hundertprozentig übereinstimmen. Es sind dieselben Skater, dieselben übertrieben hohen Sprünge, aberwitzig kombinierten Moves und dieselben Abläufe in gespenstiger Übereinstimmung. Zwei Minuten pro Runde für Highscores, das Finden versteckter Gegenstände und das Ausführen extravaganter Trickvorgaben. Das ist Arcade-Gameplay vom Feinsten und so schnörkellos wie es nur sein kann.

Meine Startschwierigkeiten kann ich dem Spiel somit keineswegs ankreiden. Es ist hart, sich das einzugestehen, aber meine Finger und mein Hirn reagieren einfach nicht mehr so flink wie damals im Jahr 1999. Dass der Soundtrack dazu die passenden Texte liefert, kann nur Karma sein. Siehe etwa der Vorzeige-Track schlechthin, Superman von Goldfinger. So here I am/ Getting older all the time/ Looking older all the time/ Feeling younger in my mind

Aaargh! Als ob der Rest des Spiels nicht schon genug auf meinem Alter herumhacken würde. Beschweren will ich mich aber auch nicht. Ich bin froh, dass so ziemlich alle Bands aus den Originalspielen mit von der Partie sind. Rage Against the Machine, Bad Religion, Lag Waggon, Suicidal Tendencies, Unsane und wie sie alle heißen. Der Soundtrack ist sogar noch besser als damals, denn die enthaltenen Songs entsprechen ihrer Studiofassung, statt nach zwei Minuten einem erzwungenen Fade-Out zu begegnen. Sie laufen stets weiter, egal ob in den Menüs oder beim Neustart eines Anlaufs.

Angesichts der Zwei-Minuten-Mixes von damals, die sich fest in mein Hirn eingebrannt haben, ist es anfangs seltsam zu hören, wie der Song von Goldfinger nach der Bridge weitergeht, aber da gewöhnt man sich gerne dran. Zumal sich Musikstücke, die man nicht hören mag, überspringen lassen. Praktisch, da mir die neuen Songs, die die Playliste inzwischen erweitern, nicht so recht gefallen wollen. Ein Druck auf den R3-Knopf unter dem rechten Analogstick verschafft Abhilfe.

Die Grafik: Aufpoliert und neu interpretiert

Selbstredend sieht das Remaster erheblich besser aus als die Playstation-Fassung von damals, die wegen ihrer wabernden, grobpixeligen Texturen und der instabilen Framerate keine Preise für technische Errungenschaften einheimsen konnte. Auch der zweite Teil, den ich im Folgejahr auf der Dreamcast (und in einer schwachen Adaption auf dem PC) genoss, hinterließ mit seinen flüssigen 30 FPS nicht den butterweichen Eindruck, den man heute auf PS4, Xbox One und dem PC genießt. Von stabilen 60 Bildern pro Sekunde konnten wir damals nur träumen. Heute kommen sie frei Haus bei einer Auflösung von 1080p bis 1440p, je nach Konsole. Echtes 4K gibt es nur auf dem PC.

Über den Grafikstil mag man sich hingegen streiten. Mir glänzen einige der Arenen, Schulhöfe, Einkaufszentren und Lagerhallen an mancher Stelle zu sehr. Das Grunge- und Punk-Ambiente geht in der neuen Version zwar nicht vollends verloren, aber man kann einen gewissen konservativen Saubermann-Anstrich nicht leugnen, wenn man die ein oder andere funkelnde Alu-Wanne und blankpolierte Rampe betrachtet, die es weder heute noch damals in der realen Welt geben könnte, wenn nur eine Stunde lang Skatebord-Rollen auf ihnen entlangwalzen würden.

Sicherlich Geschmackssache, wenn es um den Anstrich der Parcours geht, nicht aber bei der Symbolkraft der umliegenden Pickups. Fünf Buchstaben, die das Wort SKATE bilden, warten in jedem Level auf einen Finder, ebenso wie Power-ups, mit denen man die Fertigkeiten seines Skaterprofis aufwertet und levelspezifische Sondergegenstände. Früher konnte man die Art jedes dieser Pick-ups aus der Ferne unterscheiden. In der aktuellen Version ähneln sich Farbgebung und Form oft zu sehr, sodass man erst näher heranrücken muss. Ungeschickt, wenn auch nicht spielzerstörend.

Abseits davon gibt es keinen Grund zur Beschwerde. Detaildichte, Sichtweite, Texturqualität – all das entspricht den Standards von 2020 und dürfte auch in den kommenden Jahren noch gut genug aussehen, um Neulinge ans Joypad zu locken. Tony Hawk ist und bleibt ein spritziges, schnelles und unbekümmert unrealistisches Spiel, dessen übertriebene Arcade-Präsentation in Kombination mit den oft schnellen Beats der Hintergrundmusik Adrenalinschübe provoziert.

Zumindest solange man sich nicht von der steilen Lernkurve abschrecken lässt, denn was in den ersten drei Parcours noch kinderleicht erscheint, wird später zum knallharten Geschicklichkeitstest mit hohem Frustpotenzial. Die schönsten Trick-Kombos enden immer wieder in schmerzhaften Stürzen, wenn man nur eine Millisekunde zu spät oder eine Nuance zu schräg aufsetzt. Solltet ihr einen Fernseher mit hoher Ausgabelatenz besitzen, so wird sich das bei diesem Spiel böse rächen.

Klassisch schwer, modern variabel

Exorbitante High-Score-Vorgaben, fies versteckte Sammelgegenstände und vermeintlich unzugängliche Pfade setzen einen reißfesten Geduldsfaden und ein wenig Forschertrieb voraus, was mitunter in Fortschritts-Sackgassen führen kann, da neue Skaterparks erst zur Verfügung stehen, wenn eine gewisse Anzahl an Zielen erreicht wurde. Ganz so schlimm wie früher ist es zum Glück nicht, da beide Tony-Hawk-Klassiker getrennt behandelt werden. Kommt man in Teil eins nicht weiter, kann man erst einmal in Teil zwei weitermachen und umgekehrt.

Tony Hawk's Pro Skater 1 + 2 - Launch-Trailer

Bazinga! Zu Tony Hawk's Pro Skater 1 + 2, das am 4. September erscheinen soll, gibt es bereits einen Launch-Trailer, der euch Appetit auf das Spiel machen soll.

Oder einer anderen Beschäftigung nachgehen. Wie wäre es mit dem Entwurf eines eigenen Skaters inklusive Kleidung, Stats, Rollbrett und allem, was dazugehört? Oder dem Bau eines eigenen Skaterparks? Das ist dank zweier hervorragender Editoren gar kein Problem. Neulich erst durfte ich einen ähnlichen Kurseditor in der Beta von Dirt 5 ausprobieren, der nicht halb so gut ausgearbeitet war.

Der Workflow in Vacarious Visions Parcours-Baukasten ist übersichtlich gestaltet und die Werkzeuge sind pfiffig. Es gibt sogar Rampen, Hindernisse und Quarterpipes, die man nach eigenem Gutdünken in jede beliebige Richtung biegen, zwirbeln und strecken darf. Wahnsinn! Wenn die Community fleißig Entwürfe über das Netz teilt, dürfte Tony Hawks Pro Skater 1 + 2 so schnell nicht langweilig werden. Der Highscore-Hatz steht jedenfalls nichts im Weg. Sowohl eine Splitscreen-Variante für Couch-Skater als auch ein simultaner Online-Multiplayer-Modus lassen längst vergessene Fehden wieder aufleben.

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