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Special - Cybermobbing - Gastbeitrag : Altes Problem, neuer Name

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Viel sinnvoller ist es, mit dem Opfer zu sprechen, Mitläufer zu identifizieren und wechselseitig klarzumachen, warum Mobbing passiert. Die Opfer machen sich häufig selbst zur Zielscheibe, ohne dass sie sich dessen bewusst sind! Wir Menschen sind nun mal Herdentiere und als solche erst mal in der Familie daheim. Ich kann meinem Vater heute sagen, dass er ein Arschloch sei, und mich morgen dafür entschuldigen. Ich bin sicher, er wird mir verzeihen. Wenn ich aber einen Fremden beleidige, darf ich kaum Toleranz erwarten, er kennt mich ja schließlich nicht. Gerade Kinder haben oft Schwierigkeiten, sich in neuen Gruppen zurechtzufinden, insbesondere wenn es in ihrem Elternhaus anders zugeht.

Cybermobbing

Jedes Kind ab 14 hat heutzutage ein Smartphone. Eine möglicherweise gewagte These, die ihr aber in der aktuellen TIM- und JIM-Studie nachlesen könnt. Ich erinnere mich daran, dass eine Schülerin hier auf einem Gymnasium den Wutausbruch eines Lehrers mit ihrem Smartphone gefilmt und später am Tag in Facebook hochgeladen hat. Der Schülerin drohte ein Schulverweis und die Familie musste eine hohe Schadensersatzsumme an den Kollegen zahlen. Das Video kursiert heute noch im Netz und der Lehrer ist für sein Leben gezeichnet. Zugegeben, ich halte ohnehin nicht viel von ihm, er war mir schon ein Dorn im Auge, als ich noch in seine Klasse ging. Aber dass er nun einen Burnout hat und aufgrund eines Videos von einer Sitzung in die nächste hastet, das macht mir schon Sorgen.

Normales Mobbing hat eine Halbwertszeit. In Videospielen reicht es oft schon, wenn ich mir eine andere Spielelobby suche. Im wahren Leben kann ein Schul- oder Klassenwechsel notwendig sein, aber das Internet vergisst nie. Im oben geschilderten Fall hatte die Schülerin übrigens keinesfalls in boshafter Absicht gehandelt. Sie beteuert, dass sie gar nicht gewusst habe, was sie anrichtet, und war am Boden zerstört, als die Konsequenzen ihrer Handlung offenbar wurden. Was sie aber zugegeben hat: Die ganze Klasse mochte es, den Lehrer herauszufordern, weil er privat ein unangenehmer Mensch sei. Dass sie ihn dabei gefilmt hat, war ein spontaner Einfall, damit sie ihren Eltern mal zeigen könne, was dort so abgehe. Aus normalem Mobbing wird also Cybermobbing, bewusst oder unbewusst, das spielt keine Rolle. Welche Ausmaße dabei erreicht werden, zeigen aktuelle Horrormeldungen aus Amerika.

Coachings statt Deeskalationsseminaren oder Gefahrenansprachen

Aber wie entstehen solche Situationen und wäre es nicht sinnvoller, an den Ursachen zu arbeiten, anstatt die Symptome zu behandeln? Ich meine, dass Mobbing eines der schwierigsten Themen ist, über die man streiten kann. Denn die Schule ist nun mal ein Spiegelbild der Gesellschaft im Mikrokosmos. Ich werde niemals nur Menschen treffen, die ich genauso geil finde wie mich selbst - wenn es so wäre, wären wir alle Roboter und hätten unsere Individualität geopfert. Mobbing gehört zum Leben dazu und ich lehne mich weit aus dem Fenster und sage, dass ein bisschen Mobbing noch niemandem geschadet hat.

An dieser Stelle mache ich einen Absatz, damit niemand losschreit und meint, ich als Pädagoge würde Mobbing begrüßen. Das mache ich nicht! Ich sehe es aber als integralen Bestandteil einer jeden Gruppe. Ich habe täglich mit Arbeitsgruppen zu tun und es ist nun mal so, dass es nur sehr wenige Gruppen gibt, in denen es tatsächlich kein Mobbing gibt. Zudem muss man sich hier auch einmal klarmachen, was für soziale Prozesse dort ablaufen. Sowohl das Mobbing-Opfer als auch die Mobber müssen sich mit ihren Handlungen auseinandersetzen und sich fragen, wieso diese Dinge geschehen. Im Rahmen dieser Prozesse wird die Persönlichkeit, der Charakter geformt, da Widersprüche entstehen und sowohl Gefühle als auch rationale Überlegungen zueinander in Kontrast treten.

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