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Test - Atomic Heart : Bioshock-Konkurrent oder Grafikblender?

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Schon beim ersten Blick auf Atomic Heart kam seinerzeit so etwas wie Hoffnung auf. Immerhin wird das Genre story-basierter First-Person-Shooter mit nicht-militärischem Szenario nicht gerade mit Neuzugängen geflutet. Mal ganz abgesehen davon, dass bei den ersten Trailern bereits einige Bioshock-Vibes aufkamen, auch wenn man noch nicht recht wahrhaben wollte, dass Atomic Heart am Ende wirklich so unverschämt gut aussehen kann. Nun ist das Ergebnis endlich da - Bioshock-Konkurrent oder Grafikblender? Wir verraten es euch.

Bevor wir uns dem eigentlich Spiel widmen, sei der Vermerk darauf erlaubt, dass Atomic Heart bereits einige Kontroversen hinter sich hat. Die mögliche Weitergabe von Nutzerdaten an russische Sicherheitsdienste in den (angeblich) falschen Datenschutzrichtlinien war ebenso ein Thema, wie die mögliche Finanzierung des in Zypern ansässigen Studios durch russische Quellen aus dem Gazprom-Umfeld oder dass Erlöse des Spiels durch Russland zur Finanzierung des Ukraine-Kriegs genutzt werden könnten. Auch, dass sich Mundfish sich neutral darstellte und keine Stellung zum Ukraine-Krieg beziehen wollte, kam nicht gut an.

Das alles können und wollen wir an dieser Stelle nicht bewerten. Wir gehen mal davon aus, dass ihr erwachsen genug seid, euch über die Themen selbst zu informieren, sollten sie für euch von Interesse sein im Hinblick darauf, ob ihr Atomic Heart käuflich erwerben wollt oder eben nicht. Einen kleinen Beigeschmack hinterlässt das Szenario aber angesichts der aktuellen Geschehnisse ohnehin.

Atomic Heart spielt in einer alternativen Sowjetunion des Jahres 1955. Die Sowjets haben nicht nur den Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach für sich entschieden, sondern aufgrund der Entwicklung einer programmierbaren Flüssigkeit namens Polymer durch den Wissenschaftler Dmitry Sechenov enorme technische Fortschritte gemacht, insbesondere in der Robotertechnik. Die Maschinen nehmen den Menschen nahezu jede Arbeit ab und werden darüber hinaus durch ein KI-Netzwerk namens Kollektiv vernetzt.

So erleben wir zu Beginn des Spiels quasi ein kommunistisches Paradies mit einer florierenden Sowjetunion. Die Welt ist kunterbunt, riesige Statuen zieren die Städte, die auf Plattformen durch den Himmel schweben. Wie man anhand des Basisszenarios schon erahnt, kann das gar nicht gutgehen. Als es Sechenoc gelingt, das Polymer mit dem menschlichen Körper zu vereinen und er eine neue Version der Kollektiv-KI starten will, geht in der Forschungsanlage 3826 alles in die Hose. Die Roboter wenden sich gegen die Menschen, es gibt ein Blutbad.

Auftritt für eure Hauptfigur, den KGB-Agenten Sergei Nechaev, auch genannt P-3. Er soll den Vorgängen in der Anlage 3826 auf den Grund gehen und schlimmeres verhindern – sofern möglich. Im Grunde also ein klassisches Dystopie-Szenario, in der ein Ideal zerbricht und im Chaos versinkt, verborgene Schattenseiten inklusive. Durchaus keine neue Idee, ähnliche Alternativweltszenarien kennen wir durchaus von Spielen wie Bioshock oder Wolfenstein.

Der Einstieg ist visuell atemberaubend und erinnert in der Tat an die ersten Schritte in der Himmelsstadt von Bioshock Infinite oder der Tauchfahrt nach Rapture. Schon früh lässt Atomic Heart keine Zweifel, dass Mundfish in Sachen Art Design und grafische Gestaltung tief in die Trickkiste gegriffen hat. Zwar sind die Einflüsse erkennbar, aber der Look der Spielwelt ist eigenständig genug, um hervorzustechen.

Das erste Problem fällt einem recht schnell ins Auge, oder besser ins Ohr. Unser Agent P-3 ist ein ziemlicher Arsch, permanent am Nörgeln, hat eigentlich gar keinen Bock auf seinen Job und alles, was seine ehrwürdige Existenz stört, wird beschimpft. Das tritt umso stärker hervor, weil P-3 permanent Dialoge mit seinem Polymer-Handschuh Char-les führt. Zwar beinhalten die Dialoge durchaus story-relevante Informationen und Missionshinweise, mit der Zeit klingen P-3 und Char-les wie ein nörgelndes altes Ehepaar und das nicht auf die gute oder gar lustige Art.

Wir können nicht beurteilen, wie es in der originalen russischen Sprachausgabe aussieht, aber die deutsche und englische Umsetzung ist alles andere als gut geschrieben. Es passt einfach nicht zusammen, widerspricht der Motivation der Hauptfigur und auf die Dauer nervt es schlicht und einfach. Man möchte ja im Normalfall die eigene Hauptfigur irgendwie mögen, oder zumindest cool finden. In Atomic Heart klappt das nicht wirklich und man wünscht sich oft genug, dass P-3 einfach mal sein großes Maul hält. Immerhin versuchen die Entwickler, sich nicht selbst zu ernst zu nehmen, aber das zündet halt oft so gar nicht.

Bedauerlicherweise zerstört Mundfish damit viel von der Immersion und der Story selbst, die ohnehin nicht gerade überzeugend inszeniert ist. Abseits teils endlos langer Dialoge, die es einem schwer machen, bei der Sache zu bleibe, tauchen nur hier und da mal Zwischensequenzen auf, die etwas Bewegung in die Geschichte bringen. Das an sich dramatische Thema wird oft sehr nüchtern und uninspiriert in Szene gesetzt. So läuft man als Spieler letztendlich nur halbherzig motiviert durch die doch schöne und bizarre Spielwelt.

Und die hat einiges zu bieten. Riesige, verzweigte Anlagen wechseln sich ab mit halboffenen Außenarealen und Testgelände genannte Quasi-Dungeons, in denen ihr Upgrade- und Waffenbaupläne nebst reichlich Ressourcen abgreifen könnt, sofern ihr die zahlreichen Rätsel knackt. Bedauerlicherweise haben die offenen Außenareale nicht wirklich viel zu bieten. Im Grunde sind sie nur Übergänge zwischen den Story-Arealen, die zumeist in Gebäuden liegen, und den besagten Testgeländen.

Mit viel Fantasie und Liebe setzt Mundfish eine skurrile Welt in Szene, die durchaus ihresgleichen sucht und enorm sehenswert und sogar sehr performant in Szene gesetzt ist. Letzteres hat aber wohl vor allem damit zu tun, dass derzeit in einer Version des Spieles Ray-Tracing enthalten ist. Aber nun gut, auf den Konsolen läuft das Spiel erfreulich flüssig, auch wenn hier und da etwas gemogelt wird, zum Beispiel durch reduzierte Gegneranimationen in Abhängigkeit von ihrer Entfernung. Auf dem PC macht Atomic Heart erst recht keine Probleme, zumal ihr dank DLSS 3 auf den neuen NVIDIA-Karten noch einen zusätzlichen Beschleuniger habt.

Allzu viele Freiheiten solltet ihr trotz zum Teil sehr umfangreicher Areale, in denen gelegentlich auch Fahrzeuge genutzt werden können, nicht erwarten. Atomic Heart hat eine recht gradlinige Missionsstruktur, auch wenn euch innerhalb der jeweiligen Areale einiges an Freiheiten angeboten wird. Diese Freiheiten müsst ihr euch allerdings zum Teil erarbeiten, denn nicht selten müssen Rätsel verschiedenster Art gelöst werden, um Zugänge freizuschalten oder überhaupt durch ein Level zu kommen,

Neben verschiedenen, zumeist recht gelungenen Minispielen fürs Öffnen von Schlössern kommen dabei vor allem eure Polymer-Fertigkeiten zum Einsatz. Selbige könnt ihr euch ein wenig wie die Plasmide von Bioshock vorstellen. Dazu gehören unter anderem elektrische Angriffe, Telekinese, Einfrieren von Gegnern und Objekten und noch andere Feinheiten. Diese Skills können nach und nach verbessert und mit zusätzlichen Effekten versehen werden. Beispielsweise indem ihr Gegner mit Telekinese in die Luft habt und dann mit Wucht auf den Boden krachen lasst.

Natürlich kommen diese Polymer-Fertigkeiten auch im Kampf zum Einsatz und je mehr ihr sie ausbaut, desto nützlicher werden sie. Etwas schade ist allerdings, dass den Skills beim Einsatz im Kampf so ein wenig der visuelle Punch fehlt. Wo ihr in Bioshock mit dem Blitz-Plasmid einen ganzen Raum unter Strom setzt, liefert das Polymer-Pendant nur ein müdes Britzeln, das sich nicht nach wirklicher Macht und Power anfühlt. Schade zudem, das nicht noch komplexere Systeme dahinterstecken, die echte Interaktionen mit der Umgebung beinhalten.

Atomic Heart - Satte acht Minuten Gameplay im Overview-Trailer

In wenigen Wochen erscheint Atomic Heart. Mit diesen Trailer stimmen die Entwickler auf den nahenden Release ein und liefern einen fetten Überblick zu dem Shooter. Es geht um Story, Spielelemente und die fiesen Roboter, denen ihr euch stellen müsst.

Schade ist ebenfalls, dass einem die Möglichkeiten der Polymere nicht etwas näher gebracht werden. Bioshock war unfassbar gut darin, euch neue Fertigkeiten schnell nutzen zu lassen, damit ihr deren Nutzen und Nutzung verinnerlicht. Atomic Heart schafft das nicht so wirklich. Gleiches zieht sich übrigens auch in anderen Bereichen durch. Atomic Heart ist nicht wirklich gut darin, euch Dinge zu erklären oder wenigstens so zu visualisieren, dass ihr nicht da steht wie der Ochs vorm Berg. Nicht selten fragt euch, was das Spiel eigentlich gerade von euch will. Hinzu kommen Bedienung und Menüs, die durchaus intuitiver und übersichtlicher sein dürften.

Besser sieht es bei den Waffen aus, deren Arsenal ihr nach und nach durch Crafting und hoffentlich gefundene Baupläne aufmotzen könnt. Anfangs noch mit einer Axt unterwegs, gesellen sich schnell weitere Waffen dazu wie Shotgun, Elektropistole oder Kalaschnikow. Die haben ordentlich Punch und ein solides Handling, bei den Waffen ist eher Munitionsmangel das Problem. Immerhin, der Nahkampf funktioniert solide, ein Ausweichen von gegnerischen Angriffen ist möglich. Gut so, denn gelungene Spezialattacken setzen euren Helden grundsätzlich und immer auf den Hintern – was nicht die schönste Idee des Kampfsystems ist.

Praktischerweise könnt ihr an verschiedenen Handwerksstationen (in Form eines psychisch offenbar stark gestörten Roboters) Upgrades an eure Waffen basteln, vom Griff über Lauf bis zu Magazin oder Zielfernrohr und diese auch noch aufwerten. Sofern ihr denn Ressourcen habt und da sind wir beim nächsten Problem. Zwar hat uns Mundfish dankbarerweise eine Telekinesefunktion zum Einsammeln von Ressourcen als Zweitfunktion des Scannens spendiert, sodass ihr nicht für jede Schublade eine Animation abwarten müsst. Aber ihr sammelt viel. Sehr viel. Extrem viel. So viel, dass es einem recht schnell zum Hals heraushängt. Aber die Upgrades sind eben nötig.

A propos „So viel, dass es einem recht schnell zum Hals heraushängt“. Atomic Heart hat grundsätzlich recht ansprechende Missionen, wenn auch nicht immer mit klaren Zielvorgaben. Nicht selten wirken die Missionen aber unnötig gestreckt, und zwar bis zu dem Punkt, dass es in nervige Arbeit ausartet. Da muss man in riesigen Arealen vier Kanister sammeln, statt einfach zwei oder so. Um eine dusselige Fahrkarte zu besorgen, wird man gleich zwei Mal auf Tour geschickt (natürlich ist die erste nicht mehr gültig).

Das setzt sich in vielen Missionen fort und trübt zuweilen den Spielspaß. Gleiches gilt für Rätsel, die nur um ihrer selbst willen eingebaut wurden .. damit halt ein Rätsel da ist. Selbst bei den Gegnern nerven uns die Entwickler gern mal mehr, als es dem Spiel gut tut. Beispielsweise, wenn ihr einfach mal einen Abschnitt erkunden wollt, das Spiel euch aber immer wieder neue Gegner oder Reparaturdrohnen für bereits erlegte Gegner entgegenschickt.

Mal ist das akzeptabel, auf die Dauer wird es aber anstrengend. Und wenn dann der eigene Charakter sich bereits über die nervenden Aufgaben beschwert und permanent die Missionsgeber beleidigt, heitert das die Stimmung nicht auf, sondern verhunzt sie im Grunde noch mehr, da es irgendwann halt mal nicht mehr witzig ist.

Als Trost gibt es immerhin einige heftige Bosskämpfe mit riesigen Robotergegnern und die haben es richtig in sich, selbst auf niedrigster Schwierigkeit. Wo wir dabei sind, es gibt drei Schwierigkeitsgrade und selbst auf dem niedrigsten ist das Spiel kein Spaziergang. Etwas lästig ist, dass es neben sporadischem Autosave nur gelegentlich mal Räume gibt, in denen ihr manuell speichern könnt. Warum man nicht generell manuell speichern kann … man weiß es nicht.

In Summe lässt sich vermutlich unterstellen, dass Mundfish zuweilen etwas überambitioniert an die Sache herangegangen ist, ein wenig zu viel Spaß an der eigenen Kreation hatte und nicht fokussiert genug an die Sache herangegangen ist. Oder es fehlte einfach ein maßgeblicher Kopf, der einigen der Entwicklerexzesse einen Riegel hätte vorschieben können. So etwas passiert, ich erinnere mal an das erste S.T.A.L.K.E.R., das bei weitem nicht alle Features beinhaltet hat, die GSC Game World nach gefühlten Jahrzehnten der Entwicklung gern gehabt hätte. Publisher THQ schob dem schlussendlich einen Riegel vor, sonst wäre das erste S.T.A.L.K.E.R. wohl heute noch nicht auf dem Markt.

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