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Test - Diablo Immortal : Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

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So alt und doch so unerschütterlich: Diablo ist eines dieser Spiele, das man in irgendeiner Form irgendwann in den letzten 20 Jahren gespielt hat, und sich beim Ausprobieren eines neuen Ablegers fragt, was sich eigentlich geändert hat. Selbst bei einer Adaption für das Smartphone kommt der Spielspaß der Monsterhatz voll durch. Diablo Immortal wäre ein Wahnsins-Spiel, gäbe es da nicht einen gewaltigen Haken.

Diablo ist Diablo? Grundsätzlich schon, aber abseits von Floskelhausen hat sich einiges getan, wenn man Item-Management, Skill-Bäume und Konsorten betrachtet - also alles, was um den eigentlichen Spielablauf herum gewoben wurde. Aber auf dem Schlachtfeld stimmt es dennoch. Diablo ist nach wie vor das gute alte Hack `n Slay - Rollenspiel mit wenig Strategie, viel Durcheinander im Kampf und so viel Loot, dass man einen Quelle-Katalog aus den 90ern damit füllen könnte.

Was bei anderen Spielen oftmals zum negativen Kritikpunkt verkommt, ist bei Diablo der Kern des Erfolgs. Dieses Spiel muss sich nicht großartig ändern. Es könnte ewig und drei Tage so bleiben wie es ist, weil sein Suchtfaktor innerhalb weniger Sekunden einsetzt. Mein Gott, wie viele Jahre habe ich die lächerlich wenigen fünf Welten von Diablo 2 durchgesuchtet? Ich weiß es nicht mehr, aber es war eine lange Zeit, in der ich einen Monster-Run nach dem anderen startete, obwohl ich das Spiel inhaltlich auswendig kannte.

Das neue Free-To-Play-Diablo hat das Zeug, genau diese Art von Sucht in ein neues Format zu quetschen, denn es bleibt wie gehabt: Man wählt eine von sechs Kämpferklassen, fummelt sich kurz durch die Basis-Spielregeln, fängt an Monster abzuschlachten und reicht im Idealfall gleich danach den Urlaubsantrag beim Chef ein.

Ok, Letzteres ist beim neuen Diablo Immortal nicht zwingend nötig, da es für kurze Spielsitzungen am Handy optimiert wurde, aber es schadet sicher nicht. Questgeber und Zielpunkte befinden sich bei jeder Mission buchstäblich um die Ecke, und selbst Bosskämpfe beschränken sich in der Regel auf einen Schlagabtausch von rund zwei Minuten. Anstelle von langen Questreihen setzt Blizzard diesmal auf viele kleinere Missionen, daher könnten die Toleranzgrenzen der Arbeitszeit noch immer strapaziert werden. Schnell mal einen Dungeon-Run in der Raucherpause? Bekommt man bei entsprechendem Geschick locker hin!

Ich habe mich jedenfalls in einer „fast schon nebenbei“-Trance durch das Spiel geklickt und gar nicht bemerkt, wie viele Quests ich in kürzester Zeit bewältigte - was auch der Grund ist, warum die Geschichte weitgehend unbeachtet an mir vorbeizog. Anfangs geht es um die geheimnisvollen Splitter eines mächtigen Edelsteins, an dem mal wieder das Schicksal der Welt hängt, später widmet man sich einem Geheimbund, der „die Schatten“ genannt wird. War mir aber sowas von schnurz. Ich folgte einfach den eingeblendeten Fußstapfen, die mich von einer Queststation zur nächsten brachten. An einigen Stellen durfte ich sogar eine Pfad-Automatik aktivieren, der mein kleiner Totenbeschwörer von selbst nachging. Nicht, dass das immer gut funktioniert hätte, denn die Pfadsucher-Routine kommt gerade in Lagern und in der Stadt überhaupt nicht klar, stößt ständig an Hindernisse und gibt dann einfach auf, aber in freiem Gelände legte ich die Füße hoch und genoss die Tour.

PC-Version als Feigenblatt

Blizzards neuester Streich ist ein echter Gaming-Snack, der seine Handlung zwischen die Teile 2 und 3 platziert, ohne zu viele Spuren in der Lore zu hinterlassen. Also ein echter Handy-Geheimtipp, sofern man über Selbstbeherrschung verfügt. Es handelt sich schließlich nicht um irgendein x-beliebiges Handy-Game. Man kann es zwar weglegen, aber es lässt einen nicht los. Vergesst die Unbefangenheit eines Candy Crush, dessen Suchtfaktor unbestreitbar sein mag, aber dennoch in der geringen Bedeutung seiner repetitiven Level verharrt. Diablo Immortal ist ein voll ausgewachsenes AAA Game in eurer Handfläche.

PC-Version? Wie meinen? Herrje! Ja, es gibt eine PC-Version. Genauer gesagt eine offene Beta, die nur deswegen so heißt, weil sie weiterhin ein paar geringfügig relevante Bugs hat und womöglich noch grafische Verbesserungen erfährt. Aber mal unter uns: Die PC-Version rockt nicht so recht. Nicht, weil sie optisch der Handy-Fassung entspricht, sondern weil Steuerung, Menüs und Questgestaltung vor einem großen Monitor bestenfalls einen Kompromiss abgeben. Man kann es spielen, sollte es aber nur dann tun, wenn man das Smartphone gerade auflädt oder wenn man einen wichtigen Anruf erwartet.

Zugegeben, diese Meinung beruht auf dem Umstand, dass ich mit meinem Samsung Galaxy Z Fold 3 über den wahrscheinlich luxuriösesten Handy-Zocker-Bildschirm aller Zeiten verfüge, aber ich lehne mich mal so weit aus dem Fenster zu behaupten, Diablo Immortal sehe auf einem durchschnittlichen iPhone oder einem anderen Allerwelts-Handy ähnlich gut aus, sofern es über eine halbwegs moderne Hardware verfügt. Für ein Free-To-Play-Vergnügen macht es jedenfalls auf verdammt dicke Hose. Schöne 3D-Modelle samt ordentlicher Beleuchtung, aufwändige Effekte und mitunter verdammt viele Gegner auf einmal auf dem Screen. Da käme Nintendos Switch nur mit Mühe hinterher.

Am PC mag das sogar eine Budget-Grafikkarte stemmen, aber je größer der Bildschirm, desto weniger Wumms hat die Geschichte. Riesige Inventarbilder, gigantisch wirkende Textfelder für Chats und weitere Formats-Unstimmigkeiten wirken oft überdimensioniert und werden erst dann verschwinden, wenn die PC-Fassung ein ordentliches Grafikupdate erhält.

Klickedi-Klick

Völlig gleich, für welche Version ihr euch entscheidet, ihr erlebt das exakt gleiche Abenteuer, das diesmal abseits der Dungeons völlig ohne prozedurale Weltgestaltung auskommt. Der Grund dafür liegt in der Zusammenlegung der früheren kleinen Einzelserver zu einer großen umfassenden MMO-Welt, in der sich alle Spieler jederzeit begegnen können. Klingt spannend – gerade, wenn es um das Zusammenstellen von Schlachtzügen geht. Das ist aber nicht immer vorteilhaft, denn dadurch überschneiden sich einige Grafikelemente trotz abweichender Nutzung.

Beispielsweise scheinen höherklassige Kämpfer, die eine Quest bewältigen, an welcher man selbst nicht teilnehmen kann, gelegentlich mit der dünnen Luft zu kämpfen - man sieht ihre Gegner nicht. Auch NPCs spielen gelegentlich Animationen ab, die nicht zu dem passen, was sie euch gerade vermitteln wollen.

Immerhin: Die Welt wirkt niemals leer. Im Gegenteil, an jeder Ecke ist etwas los, denn viele weitere Spieler schnetzeln sich parallel durch alle verfügbaren Gebiete. Manche gehen den Hauptquests nach, andere grinden nur das Feld ab, um Steckbrief-Aufgaben abzuklappern. So oder so. Es scheppert überall, und man ist selbst mittendrin. Wer am PC zockt, verfällt irgendwann in einen Mausklick-Automatismus, weil man keine fünf Meter wandert, ohne einer Horde Monster zu begegnen. Karpaltunnelsyndrom garantiert.

Da sich das Schlacht-Interface zugunsten der Touchscreen-Schaltflächen auf vier Haupt-Angriffsvarianten und eine Spezialfertigkeit beschränkt, gibt es keinen Grund, dem Kampf gegen Wald-und-Wiesen-Monster erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Man kann sich fast schon blind durchklicken, sofern kein mittelgroßer Boss auftaucht oder gar eine Endgegner-Parade aufgetischt wird, wie etwa am Ende großer Dungeons.

Klingt das wenig anspruchsvoll? Vielleicht für PC-Gamer, nicht aber für all jene, die unterwegs einen Zockerhappen am Handy suchen. Dafür sind die Schlachtquests ideal, weil mundgerecht zugeschnitten. Ähnlich verhält es sich mit dem Inventar. Man sammelt zwar eine Fantastillion unterschiedlicher Schilde, Rüstungen, Helme, Dolche und so weiter, muss sich aber nicht lange mit ihnen auseinandersetzen.

Eine einzige Zahl indiziert ihren Rüstungswert, während ein grüner Pfeil anzeigt, ob der entsprechende Gegenstand mehr auf dem Kasten hat als das, was der eigene Charakter gerade trägt. Überflüssiges wird nicht verkauft, sondern vom lokalen Schmied zu Upgrade-Material umgewandelt. So erreicht man das Maximallevel von 60 ohne das Gefühl zu haben, mühevolle Arbeit zu verrichten. Diablo Immortal ist ein Zeitfresser der besonders angenehmen Sorte.

Die Schattenseite der Schatten

Zumindest bis man eben jenes Maximallevel erreicht hat, kann man Blizzards Monsterhatz als wunderbares Spielerlebnis klassifizieren, das tatsächlich nichts kostet. Nicht eine einzige Facette der Basis-Story verlangt monetäre Zuwendung, daher kommt jeder, der sich einfach nur ein wenig durch Monsterhorden klicken will, buchstäblich kostenlos davon.

Problematisch wird es erst im Endgame, dann aber richtig. Denn schon während der Basis-Geschichte verheddert Blizzard interessierte Abenteurer in ein Geflecht aus unzähligen Ingame-Währungen und Abhängigkeits-Verhältnissen für Buffs und Statuswerte. So lassen sich beispielsweise magische Edelsteine erschaffen, die ihr in Rüstungsteile einsetzt. Zudem schaltet das Spiel gewisse Angriffsvarianten des Talentbaums erst dann frei, wenn ihr ein passendes legendäres Item gefunden habt. Das System ähnelt dem der Runen, die man noch in Teil 3 nutzte, wenn auch leicht vereinfacht, um es auf eine lange Spielzeit hin strecken zu können.

Das Aufwerten solcher Boni kostet diverse Sub-Materialien, die man in Monster-Runs mühselig zusammenkratzt. Kostenlos? Ja, theoretisch, wenn man viel Geduld mitbringt und der Versuchung widersteht, sich selbst nach einem der großen Dungeons belohnen zu wollen. Denn abseits geringfügiger monetärer Zugeständnisse (also Ingame-Gold) und ein paar einfachen Rüstungsteilen erhält man für das Bezwingen von Bossen nichts Nennenswertes. Die wertvollsten Ressourcen für Upgrades findet man nur in Lootboxen, die man kaufen soll, nachdem sie als „Belohnung“ für das Bezwingen eines Endgegners freigeschaltet wurden. Den Anfang machen Lootboxen für übersichtliche 99 Cent, doch das bleibt nicht lange so. Je höher das Level, desto mehr nähert sich so eine Box der 10-Euro-Marke. Harter Tobak!

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Aber das ist erst der Anfang, denn das Aufrüsten der einsetzbaren Edelsteine ist unheimlich mühselig und in den obersten Kategorien auch noch von einer verschwindend geringen Erfolgschance gekrönt, da das Verschmelzen gleichartiger Steine nicht immer im besten Ergebnis resultiert. Dadurch können lange Grind-Runs also ohne das erwünschte Ergebnis enden. Ehrlich jetzt?

Diablo Immortal - Launch Trailer

Diablo Immortal ist endlich für PC und Smartphones erschienen und wird dafür mit diesem Trailer geehrt.

Wie schon erwähnt, ergibt sich in der normalen Kampagne kein Zwang, irgendeine Spezialfertigkeit zu lernen, daher kann man das alles entspannt als optionales Ziel ansehen. Aber sobald man PvP-Ambitionen hegt oder sich in festen Partys zusammenfindet, um im Endgame gegen die Schatten zu kämpfen, kommt man um das Zusammensuchen mächtiger Upgrades nicht herum. Hier braucht es Platin, und obwohl man sich viel von dem virtuellen Zaster irgendwie verdienen kann, muss am Ende doch das echte Geld herhalten. Spätestens bei den ewigen Kugeln, denn davon findet man gar keine im Spiel.

Egal, ob ihr euch eher dem Paragon-System und seinen Spezial-Talentbäumen zuwendet oder Horadrim-Truhen knackt, ihr werdet stets durch kleine täglich abrufbare Boni angeteasert, kommt damit aber ohne zusätzliches Echtgeld kaum voran, denn mit den täglichen Boni müsste man über Jahrzehnte hinweg jeden Tag zocken, um irgendwann den eigenen Charakter auszureizen. Unterm Strich gewinnt somit derjenige, der am ehesten die Kreditkarte zückt.

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