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Test - Moss 2 : Der Nachfolger zum bisher besten VR-Spiel ist da

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Der erste Teil von Moss ist meiner Meinung nach bis heute das bislang beste VR-Spiel, das es gibt. Die zauberhaft charmante Mäusewelt, die pfiffigen Rätsel, die clevere Einbindung des Spielers in die Interaktion mit der virtuellen Welt – jedem, der eine VR-Brille besitzt oder sie sich neu kauft, empfehle ich, unbedingt Moss zu spielen! Jetzt ist endlich der Nachfolger erschienen, vorerst exklusiv für Playstation VR.

Moss 2 setzt genau in der Szene ein, wo der Vorgänger vor über vier Jahren mit einem Cliffhanger endete: Im Schloss, wo es der kleinen Mäuseheldin Quill gerade gelungen ist, die böse Schlange zu besiegen. Doch der Kampf ums Königreich Moss hat damit gerade erst begonnen. Denn eine machthungrige Eule versucht die fünf magischen Glasrelikte an sich zu reißen, um damit das Reich zu unterjochen. Natürlich müssen wir ihr zuvorkommen und dafür verschiedene Regionen des Landes bereisen …

Überspringen wir am besten den Abschnitt über die Geschichte. Die ist ohnehin nicht das Aushängeschild von Moss, obendrein reichlich konfus erzählt und kann sich vor allem auf merkwürdige Weise nicht so recht entscheiden, ob sie nun eigentlich familientaugliches Märchen oder doch lieber martialisches Fantasy-Epos sein möchte.

In Moss stehen ganz andere Faktoren im Vordergrund: an erster Stelle die betörende VR-Erfahrung und dann die pfiffigen Rätselmechaniken, die das eine mit dem anderen auf exzellente Weise ineinander verzahnen. Und natürlich diese unvergleichlich putzige Spielwelt, die ihren Zauber ausschließlich in der greifbar scheinenden Illusion der virtuellen Realität versprühen kann, wie es einem vergleichbaren konventionellen 2D-Spiel niemals in dieser Eindrücklichkeit gelänge.

Das beste VR-Spiel, das es gibt

Moss 1 war eine Sternstunde für das Medium der VR-Spiele: weil seine Entwickler begriffen hatten, dass Virtual Reality eine eigene Art der Erfahrung des fiktiven Raumes bedeutet. Dass dies neuartige Spielmechaniken einfordert, die nicht lediglich bekannte Muster vom Bildschirm in die Brille verlagern. Dass man für den maximalen illusionistischen Effekt nicht einmal selbst den Helden aus der Ego-Perspektive spielen muss, sondern die Position als stiller Beobachter mitunter einen sehr viel größeren Reiz ausüben kann. Und nicht zuletzt, dass Charme und Herz ihre emotionale Wirkung in VR ganz besonders effektiv zu entfalten vermögen.

Wer die Faszination VR zum ersten Mal an sich selbst erleben möchte, der sollte das mit dem ersten Level von Moss tun. Es ist nahezu unmöglich, nicht unablässig zu jubilieren und zu schmunzeln angesichts der Niedlichkeit, die sich darin darbietet, während man selbst ein Teil davon wird: Da sitzt ihr inmitten des Mäusedorfes im Wald und betrachtet voller Entzücken die kleinen Hütten, die wie Puppenhäuser zwischen die majestätischen Bäume gebaut wurden, lernt die zum Knuddeln putzige Heldin Quill kennen, mit ihren riesigen Schlappohren und dieser kecken, verspielten Art, mit der sie euch immer wieder direkt aus ihren knuffigen Knopfaugen anzuschauen scheint, fröhlich winkend um eure Aufmerksamkeit buhlt, wenn ihr gerade mal abgelenkt seid, oder euch mit einem triumphalen High-Five abzuklatschen wünscht, wenn ihr ein kniffliges Rätsel gemeinsam gelöst habt.

Moss machte nicht den Fehler vieler anderer VR-Spiele, die dem Irrglauben anheim fallen, das subjektive Erleben eines konventionellen Videospiels, etwa eines Shooters, fühle sich automatisch realistischer und immersiver an, wenn man es einfach nur in die Virtual Reality überträgt. Diesem Schritt muss stets zunächst die Überlegung vorangehen, welchen Sinn die virtuelle Illusion dem Spielgeschehen beibringen kann, und diesen haben die Moss-Entwickler mit Bravour vollzogen: Sie begreifen die VR-Erfahrung als Erlebnis, sich in eine andere Welt versetzt zu fühlen. Darum erlebt ihr Moss nicht aus der Ego-Perspektive, sondern ähnlich wie einen 2D-Platformer als stiller Beobachter – nur eben mittendrin, als Voyeur und Akteur gleichermaßen.

Ihr steuert Quill ganz traditionell wie in quasi jedem anderen Jump-n-Run völlig unabhängig von eurer Präsenz in der Spielwelt: Bewegung per Analogstick, Springen und Zuschlagen per Button - ähnlich wie im ebenfalls exzellenten VR-Spiel Astro Bot: Resue Mission, das in vergleichbarer Weise vor Einfällen nur so übersprudelt, aber spielerisch nicht ganz so ausgereift auftritt wie Moss. Ihr selbst sitzt mitten in der Szenerie wie in der Kulisse eines liebevoll ausgestatteten Puppentheaters und betrachtet den jeweiligen Levelabschnitt als sagenhaft plastisches Diorama. Gleichzeitig nimmt Quill euch gewissermaßen als guter Geist wahr, der ihr mit übernatürlicher Kraft gelegentlich unter die Arme greift.

Und jetzt: die Fortsetzung

Moss 2 schließt nahtlos an all diese Kennzeichen an, die Moss 1 etabliert hat. Wieder hüpft und lauft ihr mit Quill durch kleine Rätsellevel, in denen Schalter umgelegt, Plattformen verschoben und Fähigkeiten genutzt werden müssen, um die Tür zum nächsten Abschnitt zu öffnen. Als sei der Controller eure Hand, öffnet ihr per Bewegungssteuerung massive Tore, die für die kleine Maus zu schwer sind, verschiebt Quader an geeignete Stellen, wo sie Quill etwa als Brücke dienen, oder haltet auch mal einen Gegner im Kampf am Schwanz fest, damit er Quill nicht behelligen kann. (Da die DualSense-Controller über keine Leuchtleiste mehr verfügen, funktioniert das auf der PS5 übrigens nur, wenn ihr noch einen PS4-Dualshock-Controller irgendwo rumliegen habt. Ohne einen solchen ist Moss 2 nicht spielbar.)

Die bewährten Rätselmechaniken aus dem Vorgänger ergänzen und bereichern die Entwickler im zweiten Teil mit diversen Spezialfähigkeiten, die ihr nach und nach im Spielverlauf erwerbt und dem Spiel dadurch einen Hauch von Metroidvania-Anmutung verleihen. So lasst ihr per Zauberhand Ranken an den Wänden wachsen, um Quill dort die Möglichkeit zum Klettern zu geben, wo vorher keine war, ladet die kleine Maus per Handschlag für einen Supersprung auf, mit der sie auch größere Abgründe überwindet, oder setzt einen magischen Hammer ein, um die Rüstung gepanzerter Gegner zu zerschmettern.

Denn ja, auch die gelegentlichen Kämpfe sind wieder mit dabei, die schon im Vorgänger das Rätsel-Gameplay auf turbulente Weise auflockerten, manch einer aber auch als bisweilen störend oder zumindest nicht hundertprozentig ausgegoren empfunden haben mag. Diesen Zwiespalt aufzulösen, hätte der Nachfolger die Chance gehabt, lässt sie aber weitgehend ungenutzt. Selbst die meisten Gegner – von den zwickenden Käfern bis zu den ballernden Krebsen – kennt man schon aus dem Vorgänger.

Lediglich eine zugegeben ziemlich coole Raupe gesellt sich dem Ensemble hinzu, die sich wie eine Flipperkugel spannen und verschießen lässt. Auch sorgen erstmals (leider nur drei) richtige Bosskämpfe für Höhepunkte zwischen den Kapiteln, die in ihrer Kreativität zaghaft Erinnerungen an das geniale It Takes Two wecken, weil sie in ähnlicher Weise das Zusammenwirken zwischen Quill und dem Spieler in den Vordergrund stellen – ohne dabei allerdings ganz das Niveau des Vorbilds zu erreichen. Im Kampf gegen den wütenden Schmied etwa müsst ihr mit Quill dessen Schlägen ausweichen, während ihr selbst ihm als geisterhafter Beschützer im richtigen Moment mit eurem magischen Hammer auf die Finger haut.

Routinierter Nachfolger ohne wesentliche Weiterentwicklung

Ein ähnliches Urteil wie über das Kampfsystem lässt sich über so gut wie jeden Gesichtspunkt von Moss fällen: Das Spiel stellt eine konsequente Fortführung aller Bestandteile des ersten Teils dar, ohne eine nennenswerte Weiterentwicklung zu vollziehen. In vielerlei Hinsicht macht es gar kleine Schritte zurück, statt einen beherzten nach vorne. Die unterschiedlichen Regionen beispielsweise erstrahlen immer noch als zauberhaft putzige Miniatur-Landschaften: der verwunschene Baum der Elfen, der sonnige, lebensfrohe Garten oder die düstere Lava-Schmiede. Doch im Vergleich zu dem steinerweichend niedlichen Mäusedorf im Vorgänger, dem unheimlichen Schlachtfeld im nebligen Wald oder der Verfolgungsjagd mit der Schlange über die Zinnen der Burg wirkt in Moss 2 alles zu schematisch, einfallslos und schon zigmal dagewesen. Eine Höhle, eine Schneelandschaft, eine Burg – ach Gottchen, wie originell. Richtig kreativ wird es erst im letzten von sechs Kapiteln mit einer fantasievollen Hommage an eine Szene aus dem Film Die Reise ins Labyrinth, auf die ich natürlich aus Spoilergründen leider nicht näher eingehen kann.

Moss: Book II - Announcement Trailer

Mit Moss: Book II hat Entwickler Playarc nun ein PSVR-Sequel offiziell angekündigt, das direkt an den ersten Teil anschließt.

Nichtsdestotrotz kann man sich auch im zweiten Teil wieder kaum sattsehen an der liebevollen Ausgestaltung dieser Puppenhaus-Welt: die filigran gearbeiteten Möbel im Mäuseschloss, die bunten Farbtupfer der Blumen im Gewächshaus wie auf einem Geburtstagskuchen oder das ständige Spiel mit den Größenverhältnissen, wenn ein simpler Blumentopf aus der Mäuseperspektive in der Riesenhaftigkeit eines Gebäudes erscheint. Doch hätte ich mir für den Nachfolger noch mehr Aha-Erlebnisse gewünscht, es begrüßt, die Spielwelt lebendiger und belebter vorzufinden, von mehr putzigen Figuren bevölkert, statt diesen lediglich in den Standbildern der Zwischensequenzen zu begegnen.

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Auch die neuen Rätselmechaniken fügen den altbekannten zwar neue Facetten hinzu, wechseln einander jedoch eher lediglich ab, statt sich gegenseitig in kreative Höhen aufzuschaukeln. Das macht Moss 2 auch vier Jahre nach seinem bahnbrechenden Vorgänger immer noch zu einem vorzüglichen Spiel. Angesichts brillanter Puzzle-Platformer, die in der Zwischenzeit erschienen sind, wie das bereits erwähnte It Takes Two, aber auch Psychonauts 2 sowie exzellenter Genre-Beiträge aus dem Indie-Segment wie Shady Part of me, DARQ, The Pedestrian oder The Gardens Between macht Moss 2 heutzutage in erster Linie wegen seines VR-Erlebnisses auf sich aufmerksam, statt durch Raffinesse im Spieldesign herauszuragen. Damit genügt es sich nicht mehr zum Meisterwerk, aber einer immer noch vollauf lohnenswerten Erfahrung, die niemand bereuen wird.

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